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UNiMUT aktuell -- November 2002

Dem Castor winken (05.11.2002)

Nachdem im Wendland schon der erste Schnee gefallen ist, hofft die Atomlobby, mit einem Castor-Dutzend aus La Hague nächste Woche ohne großen Aufwand ins Zwischenlager bei Gorleben zu kommen. Dass daraus wirklich was wird, ist nicht allzu wahrscheinlich, denn wieder planen viele Menschen sowohl im Wendland als auch hier, es dem strahlenden Zug nicht leicht zu machen. Vermutlich wird der Rhein-Neckar-Raum diesmal umfahren werden, augenblicklich gilt als ausgemacht, dass die Castoren nach dem Grenzübertritt bei Wörth (nahe Karlsruhe) Richtung Pforzheim und Heilbronn weiterfahren -- aber die Einsatzleitung der Transporte dürfte auch diesmal wieder für die eine oder andere Überraschung gut sein.

In Vorbereitung darauf trafen sich vorgestern knapp zwanzig AktivistInnen im Karlstorbahnhof, um die letzten Neuigkeiten aus dem Norden zu erfahren und Pläne für die Tage des Transports selbst zu schmieden. Wer die Veranstaltung verpasst hat, aber sich doch am Widerstand beteiligen will, kann sich bei 07141/903363 oder http://neckarwestheim.antiatom.de (für Aktionen in der Region) oder bei 0511-900 1250666 bzw. 0431/210 88 21 oder http://www.castor.de bzw. http://www.X1000malquer.de (für Menschen, die nach Gorleben möchten) informieren.

Ein lustiges Event im Vorfeld: Am Freitag (7.11.) um ca. 12 Uhr wird der UNiMUT von einem Heidelberger Aktivisten eine Solidaritätserklärung auf der Webcam am Verladekran zeigen lassen. Ein historischer Augenblick, den ihr nicht verpassen solltet. Dort anrufen ist auf der unter dem Bild stehenden Nummer auch immer möglich.

Kontakt zu Leuten aus Heidelberg, auch zwecks Mitfahrgelegenheiten, gibt es unter anti-atom-heidelberg@gmx.de, Kontakt zu Leuten, die "Konflikte minimieren, Verletzte reduzieren" wollen, beim Castoreinsatz. Ob sie wirklich anders können?

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Wusstet Ihr schon... (06.11.2002)

...dass die neue Zeitung des ABS im ZFB zu haben ist (und vermutlich auch im Feldbüro)? Themen in dieser Ausgabe sind unter anderem das Megagebührenmodell von TUM und CHE, Bildungsökonomie für Gartenzwerge, die Proteste gegen Studiengebühren in NRW und der gewohnt entsetzliche Überblick über die Gebührenlage im Land.

...dass es ebenso im ZFB und ebenso umsonst das aktuelle Infobüchlein der Frauenbeauftragten gibt? Studentinnen und Wissenschaftlerinnen der Uni finden darin nicht nur einen Veranstaltungskalender, sondern auch rechtliche Informationen, spezielle Fördermöglichkeiten, die Adressen der Frauenbeauftragten an den Fakultäten und einiges mehr -- nicht zuletzt in Anerkennung der gesellschaftlichen Tatsachen auch einen Abschnitt über Studieren mit Kind.

...dass ihr euch nicht am langen Wochenende gemütlich am heimischen PC auf die Suche nach Literatur machen könnt? Just an diesem Wochenende, genauer von Donnerstag, 31.10., 18 Uhr bis einschließlich Sonntag, 03.11.2002 sind HEIDI-OPAC und Ausleihsystem wegen Serverumzugs außer Betrieb! Die Redaktion empfiehlt, sich vorher auf die Suche zu machen und das Wochenende der Lektüre zu widmen.

...dass der VRN angeblich überlegt, die OEG-Linie 5R, die während der Bauarbeiten in der Brückenstraße durch die Berliner Straße fuhr, nicht wieder auf die alte Linie zu verlegen? Nicht wenige Studis fänden das gut, denn auf diese Weise kommt mensch sehr bequem von der Bergstraße oder auch aus Edingen zur Haltestelle Bunsengymnasium und damit ins Neuenheimer Feld. Wenn ihr zu dieser Gruppe gehört, könnte es hilfreich sein, dem VRN (bzw. dem zuständigen Herrn Salzmann) eben dies mitzuteilen.

...dass die Streitkräfte der USA planen, ihre Einrichtungen in Heidelberg wenigstens flächenmäßig massiv zu erweitern? Das passt natürlich insbesondere den Bauern, deren Grund dafür flöten gehen soll, nicht wirklich, aber auch Menschen, die finden, dass wir weniger und nicht mehr Militär brauchen, haben was dagegen. Wer sich auf dem Laufenden halten möchte, kann zur immer noch wöchentlich montags um 18 Uhr stattfindenden Mahnwache gegen Krieg und Terror am Zeitungsleser (Hauptstraße, Ecke St. Anna-Gasse) kommen oder bei der für Mitte Dezember geplanten Gründung einer BürgerInneninitiative in der Sache mithelfen. Wer zunächst mal ein paar Fakten sehen will, kann sich auf einer Seite des Umwelt- und Prognoseinstituts informieren.

...dass in einem Monat böse Dinge auf euch zukommen könnten? Das Bundesverfassungsgericht wird dann nämlich über die Vereinbarkeit der Trotha-Einschreibegebühren mit dem Grundgesetz entscheiden. Sollte es zum Schluss kommen, die Gebühren seien ok, hat das MWK schon angedroht, mit Nachforderungen zu kommen -- und da kommen schnell ein paar hundert Euro zusammen, wenn ihr schon ein paar Semester auf dem Buckel habt. Der "AStA" der Uni Konstanz ist aber optimistisch, dass es so weit nicht kommt und eher die Studis Geld vom Ministerium bekommen könnten -- zumindest behauptet er das in einer Presseerklärung.

Walter I. Schönlein

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Alle Jahre wieder - hoffentlich nicht! (13.11.2002)

Wie bereits in unserem Bericht über die Jahresfeier erwähnt, durfte auch der Vorsitzende des Hochschulrats, Herr Dr. Cartellieri, Untergott des Deutschen Bankenhimmels, auf der Jahresfeier das Wort ergreifen.

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Wenige Millisekunden später entsteht in den Designercomputern tief in den Glastürmen der Deutschen Bank eine beliebige Rede zu einem beliebigen Thema, Betonung auf: beliebig. Ein roter Faden ist nicht erkennbar, stattdessen aber eine Frontlinie, eine uralte.

Als Auftakt dröhnt die Aussage vom Olymp, das deutsche Hochschulwesen sei unter, teils weit unter dem OECD-Durchschnitt. Einen Beleg hört das Auditorium nicht, man erfährt höchstens, dass die Unis die "nachgelagerte" Stufe der Schulen seien, und die seien ja laut PISA schlecht.

In einigen Feldern sind Missstände (etwa in der Lehre) schwer übersehbar. Und es mag Studien geben, welche Mängel in der Forschung fundiert untersuchen. Doch solche Belege fehlten, um sich selbst eine Meinung bilden zu können und intern über Abhilfe zu beraten. So musste mensch sich in aller Öffentlichkeit Pauschalitäten anhören und sich fragen, ob der Hochschulrat nicht der Uni nützen sollte? Doch inhaltliche Diskussion ist wahrscheinlich zu ineffizient und obendrein nicht medienwirksam. Dass das Presseecho solcher Sprüche das Vorurteil der ach so schlechten deutschen Hochschulen perpetuiert und den Beteiligten schadet, scheint für den Uniratsvorsitzenden ein akzeptabler Kollateralschaden zu sein.

Es folgen die alten klotzigen Forderungen pechschwarzer Unbildungspolitik -- halbgottgegebene Wahrheiten, die keinen Widerspruch dulden. Auch sie ohne Argumente einfach in den Raum gestellt, allerdings ordentlich in Reih und Glied und nummeriert.

Zum Schluss muss natürlich die Wahlkampfmunition rollen, auch nach der Wahl. Blick in die Wirtschaft: Bestimmte Äußerungen, wie der Schrei nach niedrigeren Steuern, klingen immer gut in besserverdienenden Ohren; auch wenn Großunternehmen praktisch gar keine mehr zahlen. Vielleicht holt mensch ja mittels passender Regierung noch Subventionen für die Großbanken heraus... Diese Taktik wird auch an den Hochschulen versucht. Trotz der vielen "innovativen" Reformen ist immer noch alles furchtbar schlecht. Statt 500 Euro Gebühren kann mensch ja auch 5000 fordern, the sky is the limit, und willig gehorcht die Politik, auf dass das hohe Urteil gnädiger ausfalle.

Jedoch zeigten gerade die letzten Jahre, dass jede noch so großzügige Steuerschenkung an der Börse nichts verändert. Ja, die Deutsche Bank steckt bekanntlich im Abwärtstaumel -- Schuld sind natürlich immer andere. Mensch ahnt schon, dass die Forderungen eben nicht die Qualität der Hochschulen verbessern, sondern lediglich die Situation der Studierenden verschlechtern sollen. Aber Studierende braucht eine moderne Hochschule ja nicht. Und die Gesellschaft schon keine Menschen, die in der Lage wären, den Quatsch, der da aus dem Redengenerator der Deutschen Bank quillt, als solchen zu erkennen. Wir kennen die Frontlinie.

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Bescheidener Fortschritt in der Brückenstraße (20.11.2002)

[Image: Bequemes Parken]

Schon am Sonntag wurde die Einladung zum Zustellen von Rad- und Fußweg begeistert angenommen

Auf dem Papier sahen die Pläne zur Entschärfung der damaligen Heidelberger Todesfalle Nummer eins für den nichtmotorisierten Verkehr, die Brückenstraße nämlich, nicht schlecht aus: Ein breiter Bürgersteig -- fast wäre mensch geneigt, von einer Flaniermeile zu reden --, ein breiter Radstreifen auf Straßenniveau und schließlich eine gemeinsame Fahrspur für Straßenbahn und die leider offenbar unvermeidlichen Autos. Schon auf dem Papier störten natürlich die Parkplätze, die die Flaniermeile weitgehend zum Blechlager degradieren, und es war auch klar, dass sich der Gemeinderat wohl nicht würde durchringen können, das aufgrund eines bürokratischen Tricks ohnehin nie durchgesetzte Tempo 30 beizubehalten.

Am Sonntag hatte die umgebaute Brückenstraße nach einer Bauzeit von einem halben Jahr ganz nach Zeitplan "first noise", und die Realität sieht weit düsterer aus als die netten Bilder der PlanerInnen: Der Radweg ist (noch?) nicht markiert, was nicht wenige AutofahrerInnen motiviert, das Gebiet als Privateigentum zu betrachten und jedenfalls fahrradfahrenden BürgerInnen ihr Recht auf eine Unterhaltung während der Heimfahrt zu bestreiten, während andere meinen, es sei gerade genug Platz zum Parken. Wenn dann die Straßenbahn kommt, erweist sich das oft genug als Irrtum. Nicht ausgegoren wirkt auch die Idee, die Fahrräder hinter der Straßenbahnhaltestelle vorbeizuführen, denn einerseits sind durch den damit entstandenen Gehsteigradweg die wüstesten Konflikte zwischen RadlerInnen und Fahrgästen programmiert, andererseits ist nur wenig prophetische Gabe nötig, um abschätzen zu können, dass Auf- und Abfahrten dieses Konstrukts bevorzugte Stellplätze für übermotorisierte Einkaufsfahrzeuge sein werden. Das wiederum wird zwar bestimmt zu ganz tollen Manövern postmodernen Stadtverkehrs führen, aber der Sicherheit gewiss nicht zuträglich sein. Es wäre wohl doch besser gewesen, auch die RadfahrerInnen zu zwingen, auf haltende Straßenbahnen zu warten -- die meisten hätten das wohl auch getan.

Nach der Bismarckplatz-Regression hat die Stadtverwaltung hier ein weiteres Mal bewiesen, dass sie trotz eigentlich guten Willens in beträchtlichen Teilen des Stadtrates immer wieder gern vor der Autolobby und der mit ihnen aufs engste verbundenen Geschäftswelt einknickt. Besonders traurig an diesem Fall ist, dass eigentlich noch nicht mal AutofahrerInnen glücklich sein können, denn die heiße Glut, die in den stolzen BesitzerInnen der PS-Protze aufsteigt, wenn sie hinter einer der semiantiken Straßenbahnen warten müssen, bis noch die letzte Oma reingehinkt ist, ist unschwer zu imaginieren. Und mag über die eine oder andere aus Sicht eines besseren Stadtverkehrs ungeschickte Baumaßnahme hinwegtrösten.

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Die Nacht der langen Messer geht los (20.11.2002)

1997 schlossen die Universitäten (in Gestalt des heutigen MWF-Chefs Frankenberg) und der damalige MWF-Chef Trotha einen Pakt -- den Solidarpakt, nach dem die Unis binnen zehn Jahren 10% ihrer Stellen abbauen sollten und dafür ein Drittel des Einsparvolumens als Sachmittel wiederbekommen und von weiteren Kürzungen verschon bleiben sollten.

Schon seit Monaten schwirren nun Gerüchte, der Solidarpakt-Architekt Frankenberg selbst wolle den Solidarpakt kündigen oder hätte jedenfalls kabinettsintern nicht genug Einfluss, um die Landesregierung daran zu hindern. Etwas kryptische und zweideutige Presseerklärungen, die zwar einerseits bekräftigten, der Solidarpakt stehe, andererseits aber wolkig von "volkswirtschaftliche[r] Notwendigkeit" und "zusätzlich einsparen" die Rede ist, helfen hier nicht, ebensowenig wie eine Orgie von Evaluationen und Expertenkommissionen aller Art. Die spannende Frage ist, was mit all den vielen Evaluationen passiert und warum das Ministerium zur Zeit so viele Berufungslisten unbearbeitet liegen lässt. (Berufungslisten sind Listen möglicher NachfolgerInnen für eine Professur; eine Fakultät erarbeitet sie, wenn eine Professur neu besetzt werden muss. Das Ministerium beruft dann in der Regel Nr. 1 von dieser Liste, selten auch Nr. 2 oder Nr.3.) Derzeit gibt es sogar eine Heidelberger Liste, die das Ministerium von einem eigenen Gutachter nochmals prüfen lässt. Man erahnt die Hoffnung des Ministerium, irgendeinen "objektiven" Grund zu finden, noch eine Professur einzusparen.

Am 19.11. ließ die Landesregierung die ersten Katzen aus dem Sack, nachdem sie sich mit der CDU-FDP-Koalitionsrunde geeinigt hatte. Für 2003 sollen demnach 300 Millionen Euro eingespart werden. Weitere 200 Millionen Euro sollen im Personalhaushalt gespart werden, über die Einzelmaßnahmen soll hier erst im Feburar 2003 entschieden werden, da u.a. auch der Ausgang der Tarifverhandlungen abgewartet werde. Nach Angaben der Landesregierung kann sich diese Summe erhöhen, wenn es zu keiner Nullrunde komme. Für 2004 werden weitere noch drastischere Einsparungen erwartet. In der jetzt beschlossenen Streichliste steuert das Kultusministerium 16,912 Millionen Euro bei, vor allem durch verdeckte Deputatserhöhungen bei den LehrerInnen.

Vor dem Hintergrund des Solidarpakts ist es nun spannend, was im Wissenschafts- und Kulturbereich gespart wird. Dass der Solidarpakt gebrochen wird, erwarten viele bereits... Als erste Einrichtung im Wissenschaftsbereich muss die Akademie für Technikfolgenabschätzung dran glauben. Und das ist -- so der noch-Leiter der TA-Akademie im Südwestfunk am 20.11. -- erst der Anfang, denn die Nacht der langen Messer gehe weiter. Dabei hatte es ganz gut ausgesehen für die TA-Akademie. In Evaluationen hatte sie gut bis sehr gut abgeschnitten, was bemängelt wurde, war oft auf nicht besetzte Direktorenstellen zurückführbar oder vor dem Gesamteindruck problemlos zu vertreten.

Und genau hier lassen sich die schon aus dem Unibereich bekannten Muster erkennen, nach denen weiter gemetzelt werden könnte: Stellen werden lange nicht besetzt, dann die Einrichtung evaluiert und Mängel aufgelistet. Ungewöhnlich im Falle der TA-Akademie ist aber, dass das Land gar keine inhaltlichen Gründe vorschützt: Ganz frank und frei werden ausschließlich finanzielle Zwänge zur Begründung angeführt. Wenn das weiter geht, dann werden nicht nur alle Formen von Studiengebühren immer attraktiver, sondern (weil Gebühren nie genug einbringen werden) bald auch die Pädagogischen Hochschulen, Fachhochschulen und Unis geschröpft. Dass ihre Studierendenzahlen steigen, ist dann eher ein Argument für Kürzungen. Nach neoliberaler Logik erhöht Qualität die Nachfrage und da Qualität inzwischen auch ein Argument für Kürzungen ist ....

Nachtrag (10.2.2003): Auf Proteste gegen die Schließung der Akademie äußert das MWK, der Verlust TA-Akademie sei verschmerzbar, zumal am FZK mit dem ITAS bereits "eine der größten Technikfolgenforschungeinrichtungen in Deutschland" vorhanden sei. Das ist schön, zumal das ITAS angesichts der Geschichte des FZK (das mal Kernforschungszentrum Karlsruhe hieß) gewiss noch viel kritischer als die TA-Akademie vorgehen wird.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 04.12.2002, 15.01.2003

Frankenberg und Schill fast einig (30.11.2002)

Wie bereits sein Vorgänger Trotha wird auch der derzeitige Wissenschaftsminister Frankenberg nicht müde zu erklären, dass die Verfasste Studierendenschaft (vgl. unseren Schwerpunkt unabhängiges Modell) von Übel sei, die Mitwirkungsmöglichkeiten der Studierenden in Baden-Württemberg hervorragend seien und durch jedwede Änderung nur schlechter würden. Dass Studierende, die im Ländle innerhalb der bestehenden rechtlichen Bestimmungen etwas zu erreichen suchen, oft genug andere Erfahrungen machen, wird geneigten LeserInnen unserer Zeitung nicht neu sein .

Aufgrund der letzten Änderung des HRG müsste nun aber auch Baden-Württemberg eine Verfasste Studierendenschaft einführen. Vor der Bundestagswahl am 22.11. hatte MWK-Chef Frankenberg auf diesbezügliche Anfragen regelmäßig erklärt, man warte die Wahl ab und werde klagen, wenn die Wahl nicht das gewünschte Ergebnis bringe. In für das Chaosministerium überraschender Konsequenz verkündete der Minister am 29.11. in einer Presseerklärung: "Wir bereiten die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Studiengebührenverbot und gegen die Pflicht zur Einführung verfasster Studierenderschaften mit Nachdruck vor und sind zuversichtlich, dass andere Länder mit uns den Weg der Verfassungsklage beschreiten."

Wer jetzt erwartet hätte, dass sich Baden-Württemberg mit Bayern zusammen tun würde, irrt. Bündnispartner in dieser Sache ist bisher vor allem Ronald Barnabas Schills Partei. Ganz abschaffen will Schill die VS jedoch nicht -- man will das HRG elegant aushebeln: Christian Brandes (31), der hochschulpolitische Sprecher der Schill-Partei, will die Studierenden von "einer Zwangsmitgliedschaft" befreien. Sie sollen in Zukunft selbst entscheiden, ob sie Mitglied der Studierendenschaft sein wollen, d.h. es soll ein "Austrittsrecht" geben. Schill hat allerdings mit diesem Modell evtl. Aussichten auf Erfolg, denn Sachsen-Anhalt praktiziert dieses Modell bereits. Eins sattelt Schill aber auf die Geschichten in Sachsen-Anhalt noch drauf: Genau genommen soll es in Hamburg kein Austritts-, sondern ein Eintrittsrecht geben, nach einem Jahr Zwangsmitgliedschaft würden die Studierenden jedes Jahr aufs Neue in die VS eintreten müssen und sonst eben nicht mehr Mitglied sein. Was dies bedeutet, weiß jedeR, der/die jemals eine Aktion von Studierenden erwartet hat, die keinen prüfungsrelevanten Schein verspricht.

Das Ziel dieser Maßnahme -- wie auch der Bestrebungen Frankenbergs -- ist klar: Studierende sollen den Mund halten, eine handlungsfähige Studivertretung soll es nicht geben. Zu akuten Problemen hört man sie wie bisher gerne an, aber rechtliche Möglichkeiten, selber aktiv zu werden, sollen sie nicht haben.

Geschickt argumentiert Brandes auch mit der Vokabel "Zwang" -- ohne zu sagen, warum nicht gleichzeitig die Industrie- und Handelskammern, Ärztekammern oder gar das zwangsweise Eintragen in Wahlregister abgeschafft werden. Auch die Zwangsbeschulung aller Schulpflichtigen in Deutschland oder den Zwang, rechts zu fahren, könnte Schill konsequenterweise zur Diskussion stellen.

Doch Schill macht sich nicht nur allgemeine Gedanken zur Reduktion von vorgeblichen Zwängen -- Schill gibt sich vor allem sozial. "Studenten sind knapp bei Kasse", so Brandes, "ohne die Mitgliedschaft sparen sie einen Semesterbeitrag von 6,50 Euro." Doch gerade hier müsste Schill noch genauere Absprachen mit den Freunden von der Union führen, denn nach der gängigen baden-württembergischen Argumentation sind Gebühren -- und es geht hier nicht um 6,50 Euro, sondern prospektiv um mindestens das Zehnfache -- unumgänglich. Baden-Württemberg ist bestrebt, "alle Optionen für eine Verbesserung der Einnahmen zugunsten der Hochschulen und damit der akademischen Ausbildung der jungen Generation offenzuhalten" und prüft daher gerade, wie allgemeine Studiengebühren -- natürlich sozial ausgewogen -- eingeführt werden könnten.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 07.05.2003


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