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UNiMUT aktuell: Studentenwerk legt Betriebsrat seines Tochterunternehmens trocken

Abserviert und über den Mensatisch gezogen:

Studentenwerk legt Betriebsrat seines Tochterunternehmens trocken (22.04.2008)

„Da haben wir den Salat“. Denkt sich die studentische Aushilfskraft an der Kasse der Cafeteria und meint damit diesmal nicht das Gericht, das sie gerade abkassiert. Der arbeitende angehende Akademiker denkt vielmehr über die die neue rechtliche Form seiner Beschäftigung nach, die ihm sein Arbeitgeber jüngst kredenzte: Anstelle der Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrages bei der Hochschulservice GmbH (HSG), servierte ihm das Mutter-Unternehmen - Studentenwerk Heidelberg - ab 1. März eine Rahmenvereinbarung für seine Beschäftigung. Der Mitarbeiter bedient also ab sofort direkt für das Studentenwerk, nicht mehr für die Tochtergesellschaft (HSG), wie für Studierende seit einem Jahrzehnt üblich. Eine ähnlich große Wahl, wie der Gast am Beilagenbuffet der Cafeteria, hatte der Mitarbeiter hinter der Theke bei dieser Frage freilich nicht: Denn ohne Unterschrift keine Weiterbeschäftigung, keinen Arbeitsplatz, kein Geld. Unterschreiben oder Gehen. Mit diesem Gedanken im Kopf steht dieser studentische Jobber in diesen Tagen nicht allein: Den etwa 150 Teilzeitkräften, die in Mensen, Cafeterien und der Verwaltung tätig sind, tischte die Anstalt des öffentlichen Rechts nun Rahmenvereinbarungen beim Studentenwerk statt Arbeitsverträge bei der HSG auf. Das alles kam überraschend, oder aber auch nicht: Am 29. Februar, einen Tag vor Ablauf des letzten Vertrags, hatten die Beschäftigten der gemeinnützigen GmbH - zum allergrößten Teil Studierende - erstmals einen Betriebsrat gewählt. Dieser sollte die Interessen der HSG-Beschäftigten gegenüber dem Studentenwerk vertreten. Man kann sich dem Eindruck nicht erwehren, dass Rechtsunsicherheiten bezüglich der Arbeitsverträge bewusst zum Nachteil der Beschäftigten ausgenutzt werden.

Binnen weniger Stunden sah der Betriebsrat die Belegschaft der HSG nach der Wahl um über 80 Prozent verringert. Die zeitliche Nähe der plötzlichen Änderung der Beschäftigungsverhältnisse, mit der die HSG von mehr als 150 Mitarbeitern auf heute unter 20 kann kein Zufall sein. Anscheinend will das Studentenwerk so die Mitbestimmung des gewählten Gremiums unterwandern. Der Betriebsrat der HSG hat beim neuen Arbeitgeber der ehemaligen Belegschaft kein Mitbestimmungsrecht. Man kann die Folgen des neuen Beschäftigungsmodells nur kritisieren. Dieses führt in vielen Bereichen zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen studentischer Mitarbeiter. Ein Beschäftigungsverhältnis ist nach dieser Regelung nur noch für die Zeit gegeben, in der ein tatsächlicher Arbeitseinsatz vorliegt. Wer dann wie viele dieser Arbeitseinsätze bekommt, liege ausschließlich im Ermessen des Studentenwerks. Nach der neuen Regelung besteht keine Pflicht mehr, Arbeitseinsätze anzubieten. Diese Entwicklung ist äußerst bedenklich. Die Arbeitnehmer sind mit diesem Modell somit noch stärker der Willkür des Arbeitgebers ausgeliefert, da dieser über die Zuweisung der Arbeit bestimmt und so einen direkten Einfluss auf das Gehalt hat. Diese Position kann leicht missbraucht werden Es kommt zu einem noch stärkeren Abhängigkeitsverhältnis der Arbeitnehmer.

„Lidl, Schlecker, Studentenwerk“

Eine weitere Konsequenz: Eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wird so legal ausgehebelt. Die von den Studierenden mitfinanzierte Anstalt des öffentlichen Rechts ist mit Informationen gegenüber den teilzeitbeschäftigten Mitarbeitern äußerst zurückhaltend. Es ist nicht klar, ob die studentischen Mitarbeiter über die Unterschiede der beiden Vertragstypen aufgeklärt wurden. Um ihre Beschäftigungsverhältnisse zu sichern, haben mehrere Mitarbeiter der HSG bereits Klage beim Arbeitsgericht eingereicht, so vermeldete der Betriebsrat in einer Presseerklärung. Das Studentenwerk als alleiniger Gesellschafter der HSG versucht die Verfahren mit Vergleichen abzuschließen, um die Kläger mundtot zu machen. Letzten Freitag fanden vor dem Arbeitsgericht Mannheim, Senate Heidelberg die öffentlichen Gütetermine mehrere Verfahren statt. Nicht alle Verfahren konnten zu diesem Termin mit einem Vergleich beendet werden. Es wird wohl zu Urteilen kommen. Die HSG wird wohl unterliegen.

Man kann solche Schritte mit dem Ziel einen gewählten Betriebsrat zu unterwandern nur skandalös nennen. Und das bei einem Tochterunternehmen eines öffentlichen Arbeitgebers. Das Studentenwerk Heidelberg, Anstalt des öffentlichen Rechts, fügt sich somit nahtlos in die Reihe einiger bekannter Großkonzerne ein: Lidl, Schlecker, Studentenwerk.

Zu dem Artikel wurde dem Unimut eine Stellungnahme des Studentenwerks zugeschickt. Die wir hier kommentiert wiedergeben.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 12.03.2009


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Erzeugt am 22.04.2008

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