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UNiMUT aktuell: This is Captain Peter to Ground Control

Das Rektorat lässt eine Umfrage zur Umsetzung des "Strategiepapiers" machen

This is Captain Peter to Ground Control (04.01.2006)

Als vor rund einem Jahr das Rektorat sein so genanntes "Strategiepapier" mitsamt einem fast schon karnevalistischen Anschreiben über einen breiten Verteiler verschickte, fragten sich praktisch alle, die das Zeug lasen, von welchem Planeten wohl diese Worte kamen. Strich mensch nämlich die bekannte reaktionäre Ideologie aus dem Papier, blieben Versprechungen, gegen die das Rektorat vor und nach dessen Veröffentlichung konsequent gearbeitet hat. Mit der Realität der Uni waren jedenfalls nur die diversen wüsten Drohungen in dem Machwerk verträglich, der Rest kam definitiv von einem anderen Stern.

Inzwischen hat sogar das Rektorat der Verdacht beschlichen, dass unten auf der Erde ihr Strategiepapier als eine Mischung von bizarrer Lachnummer, wüster Drohung und frecher Lüge angekommen sein könnte. Nun war das Rektorat noch nie motiviert, mit Studierenden oder MitarbeiterInnen ergebnisorientiert oder gar im Vorhinein über Maßnahmen zu reden, es praktiziert nur eine gewisse Einweg-Basiskommunikation, bei der idealerweise ohne Rückkanal die Chefetage allen anderen sagt, wo es langgeht. In Ermangelung dieses Rückkanals muss das Rektorat sich auf anderem Wege Informationen und Akzeptanz verschaffen. Deshalb hat es zur Klärung des eben erwähnten Verdachts -- und zugleich zu seiner Behebung -- auf ein probates Mittel zurückgegriffen, das der befragten Population vielleicht sogar noch den Eindruck vermitteln könnte, sie könnten der Führung irgendwelche Inhalte mitteilen: Die Umfrage.

Satte 139 Fragen möchte das Rektorat in Zusammenarbeit mit den REFA1-Leuten der Heidelberger Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie von den Studierenden beantwortet haben -- MitarbeiterInnen sollen sich in einem ähnlich umfangreichen Verfahren äußern. Leider war die Kombination von längst in fernen Sphären schwebendem Rektorat und gewohnt hohltönender REFA etwas ungeschickt, denn bereits die Fragen, die diese Paarung kreißte, trieben nicht wenigen Befragten die Zornesröte ins Gesicht.

Zornesröte möchte sich auch bei den Gedanken an die Kosten des Mummenschanz einstellen, denn natürlich ist die exzellente Uni Heidelberg offenbar nicht in der Lage, ein paar Zeilen PHP zusammenzuschustern und hat die Durchführung der Umfrage an die Firma Globalpark outgesourct, Kosten dafür: Top Secret. Datenschutzrechtliche Fragen wollen wir mal gleich ganz vergessen, denn immerhin bekommt Globalpark Namen und Adressen jedenfalls der Studis, die unvorsichtig genug sind, um an dem angehängten "Gewinnspiel" teilzunehmen. Die Redaktion ist gespannt, ab wann Studierende, die angeben, mir ihrem Latein am Ende zu sein oder öfter überfordert zu sein, entsprechende Angebote für Kurse zugesandt bekommen...

Aber wie gesagt, das größte Drama ist die Dokumentation der kompletten Realitätsferne des Rektorats. Um diese wahrhaft kosmische Peinlichkeit auch nachfolgenden Generationen zu erhalten, haben wir den Studi-Fragebogen dokumentiert (er ist von hier natürlich nicht funktionsfähig). Lest selbst, was der Rektor da wissen will und ärgert euch

  • über mehrfach gleiche Fragen, die offenbar nur testen sollen, ob ihr den Kram überhaupt lest -- "Die Universitätsleitung hat umfassend erklärt, warum die Veränderungen stattfinden." vs. "Die Universitätsleitung hat nicht erklärt, warum die Veränderungen stattfinden."
  • über Frechheiten wie den Punkt "Während der Veränderung wurde ich mit Würde und Respekt behandelt", wenn wenige Zeilen weiter unten "Die Gründe für den Veränderungsprozess wurden uns Studierenden deutlich durch die Universitätsleitung erklärt" steht -- was an einer Haltung, die mit "Wir wissen, was gut für die Studis ist und machen das, und vielleicht erklären wir den dummen Studis manchmal nicht gut genug, warum die Schleiferei, die wir vorhaben, gut für sie ist" zu umschreiben ist, irgendeine Sorte von Respekt verrät, bleibt wohl das Geheimnis der StudiendesignerInnen. Vielleicht will man aber auch nur abtesten, wer die Präsuppositionen2 der Aussage bejaht, die da wäre, dass die Reformen Sachen des Rektorats waren und nun dem Rest der Uni vermittelt werden müssen. Anders kann man kaum antworten -- wer "trifft eher nicht zu" ankreuzt -- sagt dann zwar, er/sie sei nicht von der Unileitung informiert worden, aber nicht unbedingt, dass er/sie an den Reformen beteiligt wurde. Was gewinnt man aber eigentlich an Information mit dieser Frage?
  • über komplett lächerlichen Quatsch wie "Wenn ich ein Problem während des Veränderungsprozesses habe, kann ich auf die Hilfe der Universität zählen," bei dem noch nicht mal nachzuvollziehen ist, was gemeint sein könnte.
  • über Suggestivitems wie "Veränderungen wären dringend notwendig an der Universität Heidelberg" -- natürlich wärs nicht verkehrt, an der Uni Heidelberg so Manches zu verändern (zum Anfang mal das Rektorat), doch will mensch so einer Gummiaussage in einem Fragebogen zustimmen, in dem Veränderung offenbar mit dem Unsinn aus dem Strategiepapier gleichgesetzt wird? Und vor allem: Wäre es dem Rektorat ernst mit dieser Frage, wäre es dann nicht besser, nach konkreten Kritikpunkten und Verbesserungsvorschlägen zu fragen und -- schon davor -- generell für Transparenz statt Geheimdiplomatie zu sorgen?
  • über pfennigpsychologische Pseudo-Fangitems des Typs "Ich wäre lieber gelangweilt als überrascht". Es ist zwar einzuräumen, dass die wilden Schwankungen in der Politik des Rektorats tatsächlich des öfteren "überraschend" sind -- doch ist es natürlich albern, zu behaupten, der Flug mit einem alkoholisierten Piloten sei toll, weils immerhin nicht langweilig wird.
  • über sprachliche Schlamperei in Sätzen wie: "Die Universitätsleitung kommt seinen Verpflichtungen gegenüber den Mitgliedern der Uni nach" - die Unileitung ist grammatisch weiblich -- "seinen" aber männlich; grammatisch ist der Satz also schlichtweg falsch. Ein Fragebogen einer Exzellenzuni sollte es aber wert sein, ein- oder zweimal korrekturgelesen zu werden.
  • über grundfalsche de-facto-Präsuppositionen wie etwa "Manchmal merke ich, dass ich Veränderungen vermeide, von denen ich weiß, dass sie gut für mich sind" -- was soll das in einem Fragebogen zu einem Papier, das Studiengebühren, Verschulung und Schleiferei fordert?
  • über reichlich beunruhigende Mantras des Typs "Eine Gesellschaft funktioniert am besten, wenn ihre Mitglieder Opfer für das Wohl aller bringen," die, abgesehen von allen übrigen Konnotationen, schon deshalb geschmacklos sind, weil das "Wohl aller" in den Kontext des Strategiepapiers mit seinen stark sozialdarwinistischen Tendenzen gestellt wird.
  • über die komplette Seite 9, obwohl sie immerhin Teile des Rektoratsprogramms entwaffnend ehrlich beschreibt.
  • über dummes Zeug wie "Ich glaube, ich bin mit meinem Latein am Ende."
  • über komplett durchgedrehten Wahnsinn aus der Mottenkiste den 19. Jahrhunderts: "Ich bin bereit, den Ruf der Universität zu verteidigen".
  • über so offensichtlich absurde Items wie "Ich habe versucht, Kommilitonen zu helfen, ihre Widerstände gegen die Veränderungen zu überwinden" -- könnt ihr euch vorstellen, wie am Nebentisch der Mensa jemand sagt "Du, weißt du, ich habe das Strategiepapier auch gelesen, und weißt du, als ich das mit mit den University-Industry Research Centers gelesen habe, du, da ist es mir echt ganz warm geworden, so im Bauch, verstehst du, was ich meine, und das mit der Exzellenz, ja, da spüre ich auch, dass das was ganz Großes ist, größer als ich allein, das ist etwas, dem ich mich gern unterordne, dafür bringe ich gerne Opfer, du"?
  • über mit Unimitteln finanzierte Eigentore des Typs "Die Universitätsleitung handelt mit rotem Faden." Nein, in der Dienstleistungsgesellschaft handelt man nicht mehr mit Kurzwaren wie rotem Faden, man verkloppt Bildung und Humankapital.
  • über rhetorische Items wie "Es ist bereits vorgekommen, dass die Universität Veränderungsprojekte abgebrochen hat" -- bei einem Rektorat, das jede Woche eine andere Sau durchs Dorf treibt, geht das allenfalls noch als Test durch, wie gut der/die ProbandIn über die Vorgänge an der Uni informiert ist.

Machen wir uns aber nichts vor: derartige Fragebögen sind -- neben studentischen "Beiträgen" in Form von Gebühren die Mitbestimmung der Zukunft. Früher gab es mal Gremien, in denen mensch immerhin die mehr oder minder glaubhafte Illusion von Mitwirkungsmöglichkeiten vermittelt bekam und jedenfalls die Möglichkeit hatte, halbwegs zeitnah von den finsteren Plänen du jour zu erfahren. Heute wird ist Ankreuzen das Äußerste, was Studierenden in der Hinsicht zugestanden wird -- dafür wurde im Senat auch noch nie ein Gewinnspiel gemacht.

Auch den Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurde ein Fragebogen zugesandt. Vermutlich soll er ähnliche Assoziationen zu Mitwirkung und Mitgestaltung wecken. Ausgelöst hat er bei vielen aber eher die Vermutung, es handle sich um einen Persönlichkeits-, wenn nicht gar Gesinnungstest.

Nun, mit dem ganzen Quatsch sind wieder mal Verwaltungsgebühren von etlichen hundert Studis durchgebracht worden. Irgendwo muss das Geld ja hin, denn sonst wären die Kassen irgendwann nicht mehr leer, und wie sollte mensch dann die Leute von der Notwendigkeit der Konterreformen überzeugen?

Zum Schluss noch eine gute Nachricht: Aus gut unterrichteten Kreisen ist uns die Umfrage für Rektorats-Mitglieder zugegangen. Leider ist auch sie nicht lustig.


1 Der 1924 gegründete "Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung" wurde 1936 in "Reichsausschuss für Arbeitsstudien" umbenannt und wirkte in der Deutschen Arbeitsfront eifrig an der Produktivitäts- und Motivationssteigerung mit, die für den deutschen Feldzug nötig schien. Die REFA-Leute waren dabei so erfolgreich, dass sie das Kürzel REFA bei der Neugründung 1946 beibehielten und noch heute tragen. Die Arbeits- und Organisationspsychologie darf als wissenschaftlicher Arm der REFA gelten. [Zurück]

2 Eine Präsupposition ist in der Linguistik eine Aussage, die richtig sein muss, um über den Wahrheitsgehalt der gerade untersuchten entscheiden zu können. So kann etwa "Findest du es gut, strunzdumm zu sein" nur dann mit Ja oder Nein beantwortet werden, wenn der/die GefragteR strunzdumm ist. [Zurück]

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 28.06.2006


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