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UNiMUT im Winterschlaf -- fast alle Inhalte hier sind mindestens fünf Jahre alt und vor allem historisch interessant. Wenn du die Seite magst: Wir lesen unsere Mail noch und helfen dir gerne, den Online-UNiMUT wiederzubeleben. Termine | Der Verein "autofrei leben" stellt sich vor Auto Frei Leben (11.11.2004)Auch wenn der folgende Artikel nicht aus Fachschafts- oder FSK-Kreisen kommt -- sein Thema ist hoch relevant für die Uni Heidelberg und ihre Studierenden. -- Red. Kindheitserinnerungen: Wenn es im Sommer so richtig heiß war und wir in die Hocke gingen, konnten wir über dem heißen Asphalt der Straße die Luftschicht flimmern sehen und eine Fata Morgana beobachten, so wie Peter Lustig sie uns erklärt hatte. Nebenbei erschnupperten wir den Duft erhitzten Straßenbelags und fühlten uns wie kleine Entdecker. Der Geruch von Autoabgasen gehört genauso zu meinen Kindheitserinnerungen wie das beruhigende Brummen der Fahrzeuge. Dass wir nicht wie die Katzen an den Auspuffrohren eben erst abgestellter Fahrzeuge schnupperten, lag nur daran, dass uns irgendjemand gesagt hatte, dass Abgas giftig sei. Wir warteten aber vergeblich, dass die Katze tot umfiel, und als es nicht passierte, flüsterten wir das Wort "Langzeitfolgen" und "Bestimmt kriegt sie Krebs davon". Übrigens sind auch die roten Beeren an den Büschen der Grünanlage auch nicht tödlich. Überhaupt ist nie etwas Schlimmes passiert, wenn wir heimlich ein Verbot übertraten. Wo wir uns überall herum getrieben haben, will ich auch heute noch nicht offen zugeben. Natürlich kannten wir all die Gefahren, die auf kleine Kinder lauern, aus dem Fernsehen und den Warnungen der Eltern, doch mehr als blaue Flecke und Schürfwunden gab es für uns doch nie. Wir haben ja schließlich aufgepasst. Ja, das waren noch Zeiten, damals in den 70ern. Man konnte in der Kleinstadt tagsüber im Wohngebiet auf der Straße Tennis spielen. Ab 16 Uhr, wenn die Berufstätigen aus der Arbeit kamen, brachte man allerdings keinen durchgängigen Ballwechsel mehr zustande. Auch wenn ich um 18 Uhr nach Schließung der Stadtbücherei nach Hause ging, kam ich kaum noch über die Straße, denn an der Ampel, an der Fußgänger und Autofahrer gleichzeitig Grün hatten, hielt fast nie ein Heimfahrer für mich, und am Zebrastreifen sowieso nicht. So stand ich dann am Straßenrand und sinnierte über die Menge der Autos. Waren es besonders viele geworden, verkeilten sie sich auf der großen Kreuzung, und ich konnte endlich nach Hause gehen. Heute haben wir in Deutschland mehr als doppelt so viele Autos wie damals. Irgendwann bekam meine Mutter dann ihr eigenes Fahrzeug. Weil Papa, wenn er in der Mittagspause oder abends noch beim Supermarkt vorbei fuhr, sowieso immer das Falsche kaufte. Ab diesem Moment war es angeblich zu gefährlich für mich, zu Fuß durch den Ort zu gehen, und ich musste überall hin gefahren zu werden. Der Taxidienst begann etwas zu spät, als dass ich mich noch daran gewöhnt hätte. Während ich als Vierjährige allein zum Spielplatz ging, war zehn Jahre später dieser Weg angeblich zu weit und zu gefährlich für mich. Überall wurde ich hin gebracht und pünktlich angeholt. Plötzlich war alles überwacht, die Zeit genau geplant, es gab keinen Raum mehr für einen spontanen Plausch mit Christa nach dem Leichtathletik-Training oder einen Umweg. Überall stand Mama schon, natürlich zu früh gekommen, oder saß im Auto. Noch mehr drängelte sie, wenn sie wegen der anderen Mütter keine Lücke gefunden und den Wagen im Parkverbot abgestellt hatte. Der Vollständigkeit halber will ich erwähnen, dass ich auch Kindheitserinnerungen habe, die nichts mit Autos zu tun haben. Allerdings spielt das Fahrzeug bei Erlebnissen außer Haus eine allgegenwärtige Rolle. Überall sind sie, die bunten Blechkarossen: auf jeder Straße, Parkplatz, Straßenrand, Flohmarkt, Urlaubsort, Waldweg. Als ich anno 1990 zum Studieren in die Welt hinaus zog, ging und radelte ich wieder wohin ich wollte, frei wie in der guten alten Zeit. Seitdem ich das Wort "Langzeitfolgen" begriffen habe, genauso wie "Flächenversiegelung", "Klimaerwärmung" und die Grenzen des Wachstums hat die Autofreiheit für mich noch zusätzlichen Sinn bekommen. Wie das Leben so spielt, bin ich jetzt Vorsitzende von "autofrei leben!" e.V.. Der Verein vereinigt Menschen, die bewusst ohne Auto leben. Es geht also um gelebten Umweltschutz. Ich bin 33 Jahre alt und arbeite seit September als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Heidelberg. Wir haben hier in Heidelberg noch ein zweites Mitglied, aber ganz sicher gibt es in dieser Stadt und ihrer Umgebung noch viel mehr Menschen ohne Auto. Von denen würde ich gerne einige finden, um eine aktive Regionalgruppe aufzubauen. Weitere Informationen findet ihr auf unserer Webseite oder direkt bei mir: andrea PUNKT herrmann BEI autofrei NOCH-EIN-PUNKT de. Aus unseren Thesen zum Selbstverständnis: Die negativen Folgen des Automobilismus sind hinreichend bekannt. Weniger bekannt ist, dass Besitz und Nutzung eines Autos für viele Menschen nicht selbstverständlich sind. Es ruft immer wieder Erstaunen hervor, auch bei Autofreien selbst, dass fast ein Viertel aller Haushalte in Westdeutschland ohne Auto leben, in Städten über einer halben Million Einwohnern sogar 40 Prozent. Auch wenn sie das aus sehr unterschiedlichen Gründen tun, so beweisen doch Millionen Menschen jeden Tag aufs Neue, dass es auch ohne Auto geht, ja dass man ohne Auto oft besser leben kann als mit. Diese Menschen, die vom öffentlichen Bewusstsein kaum wahrgenommen werden, leisten nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Schutz von Mensch und Natur. Sie sind auch eine stille Herausforderung an eine Gesellschaft, die uneingestanden um die Folgen ihrer Automobilität weiß. Wir wollen in Städten und Dörfern leben, die für die Menschen und nicht für die Autos gemacht sind. Wo die Straßen wieder zum Lebensraum und zur Stätte der Begegnung werden. Wo alternative, umweltverträgliche und sanfte Verkehrsmittel benutzt werden. Wo die Wege kurz sind, wo Produktion und Verteilung dezentral organisiert sind und wo Erholung und Entspannung auch in der Nähe möglich sind. "Inaktive" gibt es bei uns keine, denn wer bewusst ohne Auto lebt, ist bereits aktiv. Wort und Tat gehen zwangsläufig zusammen. Das unterscheidet unser Selbstverständnis von klassischen Politikvorstellungen. Deswegen setzen wir unsere Hoffnungen auch weniger auf Staat und Politik als vielmehr auf die Fähigkeit und den Willen von immer mehr Menschen, aus unmenschlichen Zuständen auszusteigen und sich ihnen zu widersetzen. Wir haben einfach damit angefangen und wollen andere mitziehen. "autofrei leben!" provoziert einerseits zwangsläufig ungläubige, kopfschüttelnde und aggressive Reaktionen der automobilen Sucht-Gesellschaft. Andererseits treffen wir mit unserer Art zu leben und mit unserem bewussten Nicht-Verstecken auf einen beachtlichen gesellschaftlichen Resonanzboden. Wir rühren an eine weitverbreitete und tiefsitzende, teils bewusste, teils halb- und unbewusste Unzufriedenheit sehr vieler Menschen mit der herrschenden Lebensweise. |
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