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UNiMUT aktuell: Zurück in der Wirklichkeit

Zurück in der Wirklichkeit (16.02.2002)

Am 7. Februar 2002 fand im Mathematischen Institut eine Veranstaltung des Arbeitskreises Schule/Hochschule der Fakultät für Mathematik statt. Zum Thema PISA hatte man mit Prof. Dr. Norbert Knoche (Universität Essen) ein Mitglied der deutschen Expertengruppe "Mathematik" geladen. Sie hatte die PISA-Studie in Deutschland begleitet und war vorher an der Erarbeitung der Mathematik-Aufgaben beteiligt. Wer die Diskussion an der PH zwei Tage vorher (vgl. "Reise in eine andere Welt" im UNiMUT aktuell) erlebt hatte, war besonders gespannt, wie ein überwiegend aus GymnasiallehrerInnen und Lehrenden bzw. Studierenden der Universität bestehendes Publikum mit dem Thema umgehen würde.

Einleitend wies Knoche darauf hin, dass man eigentlich seit Jahren um das schlechte Abschneiden deutscher SchülerInnen weiß, es aber offenbar PISAs bedurfte, um eine weitergehende Diskussion zu initiieren. Um diese aber fundiert zu führen, sollte man wissen, worum es in PISA ging. Daher begann Knoche mit einer kurzen Vorstellung der PISA-Studie. PISA will den Ertrag der schulischen Bildung an „literacy“ -- (außercurricularer) Grundbildung -- messen. Mathematische literacy wurde in Anlehnung an Hans Freudenthal definiert, wonach Mathematik kontextverankerte Begriffe und damit mathematisches Verständnis ausbilden soll. Es geht also nicht nur um die Kenntnis von Regeln und Definitionen, sondern um die Fähigkeit, mathmatische Kenntnisse einzusetzen.

Knoche stellte die fünf Kompetenzstufen, in die die gestellten Aufgaben eingeteilt sind, sehr ausführlich vor und lieferte jeweils konkrete Beispiele, um dann einige Ergebnisse zum deutschen Abschneiden zu diskutieren. Hierbei beschäftigte das fachkundige Publikum der Vergleich zu Frankreich eine gute Weile, und auch mehrfaches Nachrechnen der Konfidenzintervalle ergab, dass die Ergebnisse dort signifikant besser als die hiesigen waren. Knoche legte dem Publikum auch nahe, nicht so sehr darüber zu diskutieren, ob man nun doch nicht so viel schlecher war -- selbst wenn Frankreich genauso wie Deutschland abgeschnitten hatte, wäre es bedenklich, dass in fast allen Felder 50% der geprüften SchülerInnen nicht in der Lage waren, die Grundaufgaben schaffen -- und dies, obwohl im Vorfeld der Studie Lehrkräfte aller Schularten sie als lösbar bewertet hatten. Selbst wenn Frankreich noch schlechter abgeschnitten hätte, wäre ein derartiges Ergebnis in Deutschland nicht wünschenswert.

Im Publikum hatte man auch gleich ein paar Erklärungsansätze parat: das französische Lycée hat 5 Stunden à 50 min in der Woche, der Grundkurs in der Oberstufe nur 3 Stunden à 45min [Anm. d. Red.: PISA befragte 15-jährige aller Schularten und nicht 16/17-jährige...]. Ein engagierter Studienrat, der seit 24 Jahren in der Oberstufe Mathematik unterrichtet, wusste zu berichten, dass die Tochter eines Bekannten (oder eine Bekannte der Tochter des Bekannten) ihm berichtet hatte, dass die Gesamtschulen in NRW keine Lehrpläne hätten. Auch könnten Kinder ausländischer Eltern die Ergebnisse nach unten verschlechtern oder zumindest stärker beeinträchtigen als in Frankreich, wo die meisten AusländerInnen Französisch sprächen. Eigens zur Prüfung solcher Thesen erhobene Daten lassen die Relevanz des Faktors Migration laut Knoche aber eher zweifelhaft erscheinen.

Knoche wusste die die mehrfach vorgetragene Vermutung, dass die anderen Länder „geschummelt“ haben könnten, zu entkräften. Länder, die die Auflagen zur Auswahl der Schulen und SchülerInnen nicht einhielten, etwa die Niederlande, wurden aus der Studie entfernt. Eine wirklich weitergehende Diskussion, z.B. über die Förderung sozial schwächerer SchülerInnen, darüber, was am Unterricht verbessert werden könnte, wie sich die Lehramtsstudierenden besser auf derartige Fragen vorbereiten könnten, kam nicht zustande. Doch vielleicht war sie für die meisten TeilnehmerInnen auch nicht nötig: Lehrpläne für NRW, bessere Fragen und mehr Matheunterricht waren durchaus ernstgemeinte Verbesserungsvorschläge. Im Gegensatz zur PH war hier nicht problemlösendes Denken gefragt, sondern eher die unterste PISA-Kompetenzstufe: Erbsenzählen. Und dabei könnte es vermutlich auch bleiben - nur Frankreich sollte doch ein bisschen schlechter abschneiden bei der nächsten PISA-Runde...

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Erzeugt am 16.02.2002

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