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UNiMUT aktuell -- November 2001

Das große Fächerpoker (01.11.2001)

Nicht nur die Portugiesisch-Frage wird zur Zeit in der Neuphilologischen Fakultät diskutiert: Der gestrige Fakultätsrat diskutierte gleich unter einer Handvoll Tagesordnungspunkten die institutionelle und strukturelle Zukunft des IÜD und weiterer Teile der ganzen Fakultät -- wobei die Handvoll TOPs sicher auch mit nur noch als schlecht zu bezeichnener Konzeption der Tagesordnung zu tun hatte.

Ein Thema war etwa die Zusammenlegung des IÜD, des IDF, der Computerlinguistik und des ZSL zu einem gemeinsamen großen Institut mit dem Arbeitstitel "Institut für interkulturelle und angewandte Sprach- und Literaturwissenschaften" (schon dieses Sprachungetüm deutet auf die Sinnlosigkeit dieser Zusammenlegung hin: Es scheint schlicht keinen vernünftigen Begriff zu begeben, unter den sich diese verschiedenen Studiengänge und Einrichtungen fassen ließen). Dann wurde heiß über die Umschichtung von diversen Professuren vom und zum IÜD diskutiert, so heiß, dass die erwähnte, seit fast zehn Jahren unbesetzte Portugisisch-Professur in der Diskussion etwas zu kurz kam.

Zur Portugiesisch-Frage berichtete Neuphil-Dekan Kiesel kurz und knapp über das Gespräch, das er am 7.August im Frankenstein-Ministerium führte. Eigentlich hätte er ja gar nicht mit am Tisch sitzen sollen, so Kiesel, "jemand" sei aber nachher doch der Meinung gewesen, das Ministerium und das IÜD dürften in dieser Angelegenheit nicht am Dekan vorbei entscheiden (nicht, dass die da noch gemeinsame Sache machen). Dass er da war, hat sich allerdings insofern als sehr nachteilig erwiesen hat, da er sich -- diesen zentralen Punkt ließ er in seinem Bericht aus -- dort gegen den Fakultätsbeschluss ausgesprochen, den er auch mitgetragen hatte.

Über den großen Fächerpoker hingegen wurde viel geredet in der Sitzung. Fortgeführt werden wird diese Diskussion in einer Rektoratskommission, in der die ehemalige Prorektorin Frau Weigelin-Schwiedrzik, die jetzige Prorektorin Frau Leopold, die Kanzlerin, der Dekan Kiesel, sowie die DirektorInnen des IDF und des IÜD, Herr Birkenmeier sowie Peter Hellwig von den ComputerlinguistInnen Mitglieder sein sollen. Als Grund für die tatsächlich nicht ganz offensichtliche Kombination von Fächern, die sich da in einem Institut versammeln sollte, gab Kiesel unter anderem an, größere Institute seien leichter zu verwalten (dem wurde aus dem Fakultätsrat mit ebenso plausiblen Gegenargumenten widersprochen), auch ergäben sich die ach so wichtigen Synergieeffekte (auch hier wurden gegenteilige Erfahrungen berichtet). Sie könnten, das sei hier als Tipp an den Dekan am Rande erwähnt, natürlich auch jetzt schon genutzt werden, aber: it wouldn't do to mention...

Als weiterer Vorteil wurde eine mögliche Zusammenlegung der Bibliotheken in den Räumlichkeiten der Krehlklinik (wohin das neu zu gründende Institut verlegt werden soll) vorgebracht -- wenn jedoch die verschiedenen Fächer als verschiedene Fächer dort einziehen sollten, dürfte die gemeinsame Bibliothek sicher nicht daran scheitern, dass die gemeinsame Corporate Identity als InstInterAngSprachLitWiss fehlt. Wenn dem Dekan nichts besseres einfällt, stört dann vielleicht gar nicht so sehr, dass die Kommission vom Rektorat und nicht etwa von der Fakultät eingesetzt wird.

Offiziell soll die Kommission lediglich prüfen, ob eine Zusammenlegung sinnvoll wäre; viel prophetische Gabe und Erfahrung mit genau den Entscheidungsstrukturen der Uni, um die sich jetzt eigens ein Prorektor kümmert, braucht es allerdings nicht, um zu ahnen, dass das das einzige ist, was jetzt schon feststeht. Dass das Rektorat diese Kommission einsetzt und festlegt, wer Mitglied ist, scheint damit zusammen zu hängen, dass die Fakultät der Zusammenlegung eher skeptisch gegenüber steht und einzelne betroffene Einrichtungen sich schon mehrfach dagegen ausgesprochen haben - während das Rektorat die Zusammenlegung allein um des klangvollen Namens willen, den man einer solchen Einrichtung geben könnte und mit dem man Studierende aus dem Ausland anlocken könnte, begrüßt. Altgediente Gremienhaudegen können schon imaginieren, wie die Hauptbeschäftigung der Kommission in einer Namensfindung für das mechtronische Meisterwerk abendländischer Kulturverwurstung bestehen wird.

Die Sitzung glitt allmählich ins Bizarre ab, als der Dekan vorrechnete, wieviel Geld statistisch für eineN Studi anfällt - "wieviel ein Student kostet" heißt das dann bürokratisch, wobei schlicht der Etat eines Fachs durch die Zahl der dort eingeschriebenen Studierenden geteilt wird. Diese Zahlen verbreitet der Landresrechnungshof und sie werden vom Ministerium benutzt, um mögliche Streichungen zu begründen. Mit der Zusammenlegung hängt das insoweit zusammen, als sich bei der Fusion eines Instituts mit vielen Studis und eines Instituts mit wenigen Studis der höchste "Preis" nach unten entwickelt: der Durchschnitt einer großen und einer kleinen Zahl ist immer kleiner als die größere -- Geldsparen für die "mathematically challenged".

Weiter ging es mit dem "Muttersprachenprinzip". Gemeint ist, dass fürderhin vielleicht nur in die Muttersprache übersetzt oder gedolmetscht werden wird. Dass dies im Hinblick auf die spätere Berufspraxis ziemlich schwachsinnig ist, muss wohl nicht extra erwähnt werden. Dennoch will sich am 16.11. ein ganzes Symposium mit dieser Frage beschäftigen. Bereits vom Rektorat entschieden (und vom Hochschulrat und übernommen) ist die Umwidmung einer Professur für Englisch auf Mediendidaktik und ihre Ausgliederung aus der Fakultät an ein Insitut für Mediendidaktik. (Hierzu verspricht die Redaktion in Bälde einen eigenen Artikel)

Und wo schon alle am Rumdoktorn sind: Am 20.12. findet schließlich eine Sitzung in Stuttgart statt, in der die Struktur und die Ausrichtung des IÜD beschlossen werden. Der Dekan will bis zur Entscheidung dieser Sitzung mit der Entscheidung warten, wie in der Sache der Wiederbesetzung Portugiesisch verfahren wird (bis in fünf Jahren dann, d.S.). Dazu kam es schließlich aber doch nicht, nachdem ein Mitglied des Fakultätsrats darauf hinwies, dass im letzten Brief aus dem Rektorat der schöne Satz "Unter diesen Umständen sah das Rektorat als einzige Möglichkeit, ... die Wiederbesetzung der Professur für Portugiesisch in die Entscheidung der Fakultät zu stellen." zu lesen stand. Diese Entscheidung sei genau im Fakultätsrat aber ohnehin schon gefallen -- und tatsächlich entschied sich der Fakultätsrat gleich nochmal, erstaunlicherweise sogar genau so wie vor den Semesterferien.

Wir gratulieren. Wer jetzt denkt, dies sei eine Groteske, ist einE OptimistIn.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 06.02.2002, 14.08.2002

Studiengebühren werden zum Flächenbrand (06.11.2001 (13.50))

Seit heute ist es also offiziell: Die Trotha'schen Bildungsgutscheine werden jetzt auch in den sozialdemokratischen Paradiesen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz Einzug halten, wenn auch in leicht mutierter Form. Edelgard hält eben, was sie verspricht. Weil wir dazu eigentlich gar nichts mehr sagen wollen, dokumentieren wir eine Presseerklärung des fzs zu den Vorgängen:

Heute haben die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Gabriele Behler (SPD) und der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner (SPD) angekündigt, in ihren Bundesländern ein Studienkontenmodell einzuführen. Studienkonten bedeuten, daß ein bestimmtes Kontingent von Veranstaltungen an den Hochschulen kostenfrei ist. Sollte dieses Kontingent ausgeschöpft sein, werden Studiengebühren erhoben. Dazu erklärt Christian Haberecht vom Vorstand des studentischen Dachverbandes fzs (freier zusammenschluß von studentInnenschaften): "Die Einführung von Studienkonten als Modell für Langzeitstudiengebühren ist eine fatale Entscheidung, denn Studiengebühren sind eine kontraproduktive Zugangsbarriere. Schon jetzt sind die unteren sozialen Herkunftschichten an den Hochschulen kaum vertreten, wie das Deutsche Studentenwerk in seinen Sozialerhebungen regelmäßig nachweist. Es ist bildungs- und gesellschaftspolitisch verheerend nun die vielfältigen Abschreckungsmechanismen von Studiengebühren zu ignorieren und wird auf lange Sicht in die endgültige Bildungskatastrophe führen.

Die Politik hat das Interesse die durchschnittliche Studiendauer zu senken. Sie setzt mit Studiengebühren aber auf repressive Mittel und versucht nicht bei den wahren Ursachen für längere Studienzeiten anzusetzten. Weit über die Hälfte der Studentinnen und Studenten muß neben dem Studium für den Lebensunterhalt arbeiten. Daran vermochte auch die BAföG-Novelle des vergangenen Jahres nichts zu ändern. Selbstverständlich leidet darunter das Studium. Nicht umsonst liegt die Studiendauer in Städten mit hohen Lebenshaltungskosten auch höher als im Bundesdurchschnitt. Zudem sind die Studienbedingungen an vielen Hochschulen derart katastrophal, daß ein Studium in der Regelstudienzeit kaum möglich ist. Wenn die Teilnehmenden an Pflichtseminaren aufgrund der mangelnden Kapazität ausgelost werden müssen, bedarf das keines weiteren Kommentars. Die Studentinnen und Studenten nun für dievielfältigen Mißstände zu bestrafen ist demnach der falsche Weg und führt nur zu eine höheren Abbruch-Quote. Fortschrittliche Bildungspolitik sollte die Voraussetzungen für ein Studium schaffen, statt diese weiter zu beschneiden. Denn schon jetzt liegt die Bundesrepublik Deutschland laut der bekannten OECD-Studie im internationalen Vergleich auf den hinteren Plätzen, was den Anteil eines Jahrganges angeht, der den Weg an die Hochschule findet. Es werden daher mehr Studentinnen und Studenten benötigt und nicht weniger.

Die heutige Entscheidung ist nicht zuletzt das Ergebnis der Politik von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn. Diese war vor über drei Jahren mit dem Versprechen angetreten, Studiengebühren auszuschließen. So war es auch im rot-grünen Koalitionsvertrag vereinbart. Das Ergebnis ist eine Bankrott-Erklärung für die Ministerin. Eine frühzeitige Verankerung eines Studiengebührenverbots im Hochschulrahmengesetz (HRG) hätte das jetzige Debakel verhindern können. Ihre kaum vorhandene Glaubwürdigkeit hat heute einen weiteren Schlag erlitten."

Nachtrag (6.11., 14.20): Wer noch nicht genug gekotzt hat, kann sich das "Grundsatzpapier" von Zöllner und Behler geben (dank an den u-asta Freiburg).

Nachtrag (7.11.): in Darmstadt hat jemand mal angefangen weitere Papiere zu sammeln

Nachtrag (12.11.): Der Spiegel engagiert sich inzwischen auch in Sachen Studiengebühren und ließ eine Umfrage, nach der 75 % aller Bundesbürger für Studiengebühren ist, durchführen.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 21.08.2002

Der Euro kommt -- am nächsten Montag (07.11.2001)

Die Uni Heidelberg ist ihrer Zeit voraus: Schon am kommenden Montag soll die interne Abrechnung in Euro stattfinden. Die ohnehin noch recht unvollkommene R/3-Buchführung wird am nächsten Freitag für alle Anfragen geschlossen und, so das Wunder geschieht und alles nach Plan läuft, am Montag darauf im neuen Euro-Gewand wiedererstehen. Also: Wer Geld von der Uni will oder welches bei der Uni loswerden will, sollte sich morgen darum kümmern. Die Redaktion wettet 2:1, dass am nächsten Montag nichts gebucht werden wird.

In dem diesbezüglichen Rundschreiben verkündet der offzielle Euro-Beauftragte der Uni, Dieter Werner, auch noch, dass die Unikasse und im Großen und Ganzen alle anderen Stellen, an denen mensch Geld an die Alma Mater loswerden kann, der "allgemeinen Öffentlichkeit" nicht zugänglich seien und deshalb die so genannte modifizierte Stichtagregelung, nach der noch bis Ende Februar 2002 die gute alte Mark angenommen werden muss, keine Gültigkeit habe. Also: Ab Silvester nur noch mit Euros in die Uni.

Wir recherchieren noch, ob die UB dem Euro-Beauftragten gehorchen wird und tragen das Ergebnis hier nach, sobald wir Antwort von dort haben. Mangelndes Problembewusstsein besteht jedenfalls an vielen Orten. Ex-Rektor Siebke etwa erklärte während einer der letzten Sitzung des großen Senats, es bräuchten keine Mittel für die Umrüstung der Schließfächer eingestellt werden, da ja nach einem festen Kurs umgerechnet werde.

Niemand wagte ihm da zu widersprechen.

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Die Angst des MdB vor der Abstimmung (13.11.2001)

Volles Haus in der Bahnhofsgaststätte hatte die Heidelberger SPD gestern bei einer von MdB Lothar Binding einberufenen öffentlichen Diskussionsveranstaltung zum künftigen Einsatz der Bundeswehr an diversen Plätzen an der Sonne -- offenbar waren die GenossInnen nicht durch den etwa zu der Zeit vorbeifahrenden Castor nach Gorleben verhindert, und auch die mit den letzten News vom erneuten Flugzeugabsturz "nicht unweit" (Außenminister Fischer vor den UN) von Manhattan lockende Glotze konnte mit MdB samt Landtagsabgeordneten Claus Wichmann (der natürlich zu spät kam) nicht konkurrieren.

Binding gelang es anfangs, ehrlich interessiert an den Ansichten des Publikums zur Entscheidung am Donnerstag zu wirken und verlas Teile des dann abzustimmenden Antrags, der den Bundeskanzler "ermächtigen" (sic!) soll, für ein Jahr lang bis zu 3900 SoldatInnen auf die arabische Halbinsel, nach Mittel- und Zentralasien oder Nordostafrika sowie die angrenzenden Seegebiete zu schicken, wie es ihm gefällt. Im Laufe der Zeit wurde aber allerdings immer klarer, dass Binding dem Kanzler die Gefolgschaft nicht verweigern wird und eher nach Unterstützung für diese Entscheidung als nach Hilfe bei der Entscheidungsfindung suchte. Dementsprechend versuchte er recht bald, den anwesenden Genossen und Nichtgenossinnen den Krieg schmackhaft zu machen, etwa mit dem Argument, eine Mitwirkung bei den Militäraktionen könnte "uns" ein Mitbestimmungsrecht im weiteren Verlauf der Geschichte verschaffen. Richtig überzeugen konnte das natürlich niemanden.

Bodentruppen und Luftangriffe, so Binding weiter, seien aufgrund der expliziten Auflistung der einzusetzenden Truppenteile im Ermächtigungsantrag ausgeschlossen, die Rede sei eben von ABC- und Sanitätstrupps sowie Seestreitkräften. Die 100 angeforderten Jungs der Rambo-Truppe Kommando Spezialkräfte haben in diesem Szenario allerdings ein echtes Arbeitsplatzproblem. Die Vermutung, sie sollten dann eben doch Kommandoaktionen auf feindlichem Boden durchführen, konnte Binding nicht entkräften. Er sehe die halt eher als so eine Art Polizeieinheit nach dem Vorbild der GSG 9 in Mogadischu, und damit seis ja auch gut.

Binding hatte einen Experten mitgebracht, Markus Böckenförde vom MPI für Völkerrecht, der allerdings eher als Privatmensch und Aktiver einiger in Afghanistan arbeitender Hilfsorganisationen redete. Er war der erste an diesem Abend, der auf das Fehlen eines Sicherheitsratsbeschlusses zum Angriff auf Afghanistan hinwies -- später bewies ein anwesender Reserveoffizier und Völkerrechtler weit schlüssiger nach, dass es sich beim geplanten Einsatz zweifelsfrei um einen nach dem Grundgesetz verbotenen Angriffskrieg handele. Binding vermochte das nicht anzufechten, denn immerhin gehe es ja um seine Zwickmühle (und offenbar nicht ums Völkerrecht).

Böckenförde allerdings hatte eigene Theorien, warum sich die USA nicht um einen Freibrief des Sicherheitsrats bemüht haben: Seine Einlassung war, die USA wollten vermeiden, bei künftigen Anschlägen, die ja vielleicht hinter dem Balkan und nicht im Herzen des eigenen Landes stattfinden werden, in uneingeschränkter Solidarität mit, sagen wir, der Ukraine UN-verordnete Maßnahmen mit der US-Armee ausführen zu müssen.

Weiter führte er aus, dass die in imperialen Aktionen in der Region erfahrenen Sowjets und Briten die US-Administration gewarnt hätten, dass in Afghanistan kein Blumentopf zu gewinnen sei. Es reicht in diesem Land ganz offenbar nicht, nur die großen Städte unter Kontrolle zu haben -- das hatte die Sowjetunion nach ein paar Monaten, und damals widerstanden Afghanis selbst ohne die relativ modernen Waffen, die zwischenzeitlich aus Westen wie Osten ins Land geströmt sind, viele Jahre quasi aus eigener Kraft, denn wesentliche Unterstützung aus den USA bekamen sie nach gegenwärtigem Kenntnisstand erst seit Mitte der achtziger Jahre.

Böckenfördes Referat -- sicher der Höhepunkt des Abends -- endete mit einem Überblick über die so genannte Nordallianz. Fazit war hier, dass eine Machtübernahme dieser netten Herren die Lage in Afghanistan im Wesentlichen kaum verbessern würde -- sie waren es, die Kabul nach dem Abzug der Sowjet-Truppen im Streit untereinander in Schutt und Asche legten, und sie sind sich nach wie vor nicht einiger. Nach dem Referat war jedenfalls unklarer denn je, was eigentlich der Feldzug erreichen sollte.

Es schloss sich eine teilweise hitzige Diskussion an, sowohl innerhalb der GenossInnen als auch mit einigen der Menschen, die von der Mahnwache gegen den Krieg (die wie immer Montags um 18 Uhr am Zeitungsleser stattfand und dieses Mal den PDS-MdB Winfried Wolf als Redner zu Gast hatte) zum Bahnhof gepilgert waren, und je klarer wurde, dass die Mehrheit im Raum gegen den Krieg war, desto klarer wurde, dass Binding wild entschlossen war, für den Krieg zu stimmen. Da konnte ein Juso schon fast Sympathiepunkte gewinnen, als er gestand, nicht mehr zu wissen, was er denken solle und zur Klärung beim Landesverband angerufen habe.

Viel wurden an diesem Abend allerlei Artikel aus Grundgesetz und UN-Charta bemüht, hin und wieder gab es wilde Verschwörungstheorien, die teilweise sogar historisch fundiert untermauert wurden, nur gelegentlich wurde auch mal an die Menschlichkeit appelliert. Am Ende rechtfertigte Binding sein Ja zum Krieg unter viel Zwischengerufe damit, dass er lieber nicht abstimmen würde. Nett aber immerhin, dass er sich bemüht hat, den Anschein zu erwecken, als könnte seine Basis die Fraktionsdisziplin besiegen, als bestehe wenigstens eine Chance, dass -- und das wäre doch mal was Neues -- Gewissen über Parteiräson geht.

Doch schließlich bleibt nur, an Madeline Albright zu denken. Sie meinte, gefragt, ob der (nach wie vor nicht erfolgte) Sturz Saddam Husseins die 500000 irakischen Kinder, die mittlerweile wegen des Irak-Embargos gestorben sind, wert sei: "Yes, I believe it is worth it".

Vermutlich werden in diesem Winter Hunderttausende Afghanis an den indirekten Folgen des Krieges sterben. Und wenn der Feldzug denn "Erfolg" hatte und die Fraktionen der Nordallianz ihre Privatkriege unter Ausschluss der Weltöffentlichkeit weiterführen, dann wird Binding auch sagen müssen: "Ja, ich glaube, sie sind für einen guten Zweck gestorben." Dass der Zweck der Erhalt des Bundestagsmandats war, wird er nicht sagen. Wir alle wünschen ihm dabei ein reines Gewissen.

Nachtrag (16.11.2001): Wer sich ein Bild von der Gewissensnot des Herrn Binding machen will, kann den Antrag der Bundesregierung hier auch nochmal genießen.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 17.11.2001

Zentralstoß (14.11.2001)

Die "Entwicklung eines bedarfs- und leistungsorientierten Budgetierungsmodells für die dezentralen Einrichtungen der Universität (Instiute, Seminare und Zentrale wissenschaftliche Einrichtungen) war eine zentrale Aufgabe im Rahmen des IMPULSE-Projekts," schreibt die Kanzlerin, Romana Gräfin vom Hagen mit Datum vom 6.11. und verwirrte die Redaktion damit nicht wenig. Die Zentralen wissenschaftlichen Einrichtungen sind also dezentral, aber doch Gegenstand einer zentralen Aufgabe? Nun, die Kanzlerin hat Glück, dass die UNiMUT-Sprachpolizei wegen Personalmangels zur Zeit nicht zugreifen kann.

Der so unglücklich eingeleitete Brief sollte jedoch nicht wirklich unterhalten, sondern darauf hinweisen, dass es beim Impulse-Projekt jetzt aber wirklich zur Sache geht. Denn dieses Projekt, bislang vor allem durch seinen meist vergeblichen Kampf mit R/3 in der Diskussion, ist eben nicht nur wegen "beträchtliche Schwierigkeiten" "im Kernbereich" relevant, auch "zu viele individuelle Lösungen", "Tücken von R/3" kümmern nicht arg. Natürlich: "Unterm Strich ist die Arbeit mehr geworden", auch "Schilda lässt grüßen" (alle Zitate aus dem letzten Newsletter des Projekts) -- aber die Karawane läuft weiter dem Ziel entgegen.

Dieses Ziel des sicher nicht uneigennützig von der VW-Stiftung geförderten Projekts ist nicht weniger als ein "Fundamentaler Umbau der Universität", und zwar vor allem durch "ein neues Kosten- und Leistungsbewußtsein" (Zitate aus der Selbstdarstellung des Projekts). Dazu dienen zunächst Globalhaushalte für die Institute, die damit irgendwann selbst entscheiden können sollen, wieviel sie für Tutorien und wieviel für die Denkschrift zur Emeritierung des Institutsleiters ausgeben wollen (tatsächlich konnten sie das weitgehend allerdings bisher schon, denn TutorInnen werden typischerweise aus Sachmitteln bezahlt...)

Unerfreulich wird die Geschichte, weil "Leistungsanreize" geboten werden sollen und, so die Reize verklingen, der Geldstrom versiegen soll. Bekannt ist schon, dass das Budget eines Instituts aus Grundausstattung, Formelteil und Verhandlungsteil bestehen soll. Der Formelteil, so darf mensch erwarten, wird nach Drittmitteleinwerbungen fragen und wohl auch nach Studis, die superschnell durch die Studiengänge geschleust wurden (damit soll dann gute Lehre belohnt werden). Unter dem Verhandlungsteil kann mensch sich wahrscheinlich höchst kurzweilige Intrigen und buntes Markttreiben nach Art eines Mittelalterspektakels oder mancher Fakultätsräte vorstellen.

Vollends absurd wird die Sache schließlich, wenn die "inneruniversitären Märkte" geöffnet werden sollen. Vorzustellen darunter hat mensch sich, dass beispielsweise das URZ und die UB ihre "Dienstleistungen" den "nachfragenden" Fachbereichen in Rechnung stellen sollen. Pro durch einen zugeordneten Studierenden ausgeliehenem Buch 20 Pfennig weg vom Institutskonto, Hosting einer Studi-Webseite 2.50 pro Monat, jede CPU-Sekunde 3 Pfennig extra. Belegt Institut A einen Hörsaal in Institut B oder der Neuen Uni könnte man in Zukunft Gebühren erheben. Nicht, dass dadurch irgendwas besser funktionieren würde, aber der Abrechnungsaufwand vervielfacht sich, und die InstitutssekretärInnen haben jedenfalls keine Zeit mehr, Moorhühner vom Himmel zu holen, um so mehr, als all die Micropayments ja noch durchs R/3 müssen, das -- siehe oben -- noch zusätzlich Langeweile verhindert. Willkommener Nebeneffekt: Jede vom Ministerium kommende Mark für diese Einrichtungen durchläuft die Uni-Kassen zwei Mal. Erstens ist dies psychologisch ein gutes Palliativum in Zeiten knapper Kassen und zweitens könnte man bei geschickter Darstellung dieses Geldflusses den Anteil der Uni-Haushalte am Bruttosozialprodukt erhöhen und unser Vaterland somit in den verschiedenen OECD-Rankings von der Roten Laterne zum geölten Blitz mutieren lassen. Leider ist das mit den internen Märkten kein Witz, das Rektorat meint das ernst.

Menschen, die das genauer wissen wollen oder diese Darstellung völlig überzogen finden, werden nun im eingangs erwähnten Brief der Kanzlerin eingeladen, am Mo, 19.11., um 16 Uhr c.t. in die Alte Aula zu kommen. Dann und dort wird das neue Budgetierungsmodell vorgestellt und damit wahrscheinlich verraten, welche neckischen Formeln und Verhandlungsmodalitäten sich Rektorat und SAP so ausgedacht haben. Wirklich eingeladen sind zwar eher die Leiter Zentraler Einrichtungen, von Instituten, Seminaren etc., rauswerfen wird euch aber erfahrungsgemäß auch niemand, da genug Profs genug Hiwis schicken werden. Und wenn doch, ist immer noch die UNiMUT-Redaktion da, die sich löwenmutig vor euch stellen wird. Bis dann.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 28.11.2001, 02.04.2003, 25.02.2004, 02.11.2005

Kein Aufruhr im Elfenbeinturm (17.11.2001)

Nach dem 11.9. ist nichts mehr, wie es einmal war -- und so lud das für seine überbordende Diskussionsbereitschaft normalerweise nicht bekannte Rektorat heute zu einer Podiumsdiskussion zum Thema "Aufruhr im Elfenbeinturm?", nämlich der Bedeutung der Terroranschläge in New York und Washington für die Uni an sich, in die Heuscheuer.

Der Saal war nicht gut gefüllt, vielleicht 50 Menschen hatten sich am späten Samstagnachmittag eingefunden, um ExpertInnen aus Islamwissenschaften, Amerikanistik, Soziologie, Politologie, Jura sowie VertreterInnen der Studierenden, des Akademischen Auslandsamts und der Kriminalpolizei zu lauschen. Die treibende Kraft hinter der Veranstaltung, Prorektor Angelos Chaniotis, vermutete hinter der Abwesenheit größerer Mengen "Verdächtiger" (nämlich Moslems) möglicherweise den Fauxpas, den Termin gerade an den Beginn des Ramadan gelegt zu haben.

Konsens war ziemlich klar die Forderung nach Dialog, schon zu Anfang verlangte Chaniotis, die multikulturelle Universität, in der junge Menschen aus allen Ländern und Kulturen gemeinsam nach Wissen (und Scheinen, d.S.) streben, als Chance zur Bewältigung von Konflikten zu begreifen. Auch der wie immer ausgesprochen unsympatische Jurist Mußgnug, der nicht müde wurde, zu betonen, dass die Attentäter Verbrecher und keine Moslems seien, stellte dagegen die Utopie des Semper Apertus.

Vielleicht naturgemäß etwas differenzierter sah das der Islamwissenschaftler Raoul Motika, der berichtete, dass es auch und gerade unter genau den Menschen im islamischen Kulturkreis, die westlichen Werten gegenüber offen seien, Verständnis für die Attentäter gebe, eben weil sie den Westen an seinen eigenen Maßstäben messen würden und er diese Probe allzuoft nicht bestehe. Hier grassiere das Gefühl, zum Objekt der Geschichte gemacht zu werde, und das be weitem nicht nur in Aserbeidschan oder anderen völlig marginalisierten Staaten, sondern auch in "modernen", mit dem Westen quasi verbündeten Republiken, der Türkei etwa oder Tunesien.

Sein Rat war, speziell mit diesen Menschen in einen Dialog zu treten, sie etwa analog zur Poetikdozentur zu Gastdozenturen einzuladen, wobei weniger akademische Reputation als vielmehr kulturelle Relevanz über die Rufe zu entscheiden hätte. Ob es zu so etwas kommen kann, ist allerdings noch offen -- er berichtete auch, dass sein Seminar seit Jahren nicht mehr über Reisemittel verfügt und deshalb Veranstaltungen mit Reformtheologen vor zwei Jahren nur mit Hilfe der Fachschaft und der Heinrich-Böll-Stiftung finanzieren konnte.

Das Thema Rasterfahndung wurde von der Studierendenverterterin Katharina Lack aufgebracht; nach wie vor wissen wir nicht viel mehr als dass die Uni Heidelberg Daten ans Landeskriminalamt gegeben hat. Welcher Natur und welchen Umfangs diese waren, ist nach wie vor unklar. Der Vertreter der Heidelberger Kripo erklärte immerhin, diese Daten könnten je nach Lage der Dinge bis zu 10 Jahre aufgehoben werden, sollten aber bei unschuldigen Personen schon nach zweien wieder gelöscht werden, wenn sich nicht vorher ein guter Grund ergibt, sie doch zu behalten. Sein Referat -- nicht gerade anregend vorgetragen -- erhellte zudem noch, dass die Polizei glaubt, Al-Quaidas Organistation verfüge über fünf Milliarden Dollar, unterstütze damit im Augenblick fast alle islamistischen FanatikerInnen, die sie finden könne und kommuniziere übers Netz und über Gebetshäuser. 777-3299-377A-B8901-erwachen.

Viele weitere durchaus interesante Informationen konnte mensch aus der Heuscheuer mitnehmen -- Mußgnug etwa behauptete, der Anteil der Verbrecher an der Uni liege unter einem Promille, die Soziologin Uta Gerhardt spekulierte über den Atavismus hinter der Missachtung der Individualität bei Selbstmordattentätern, der Amerikanist Detlev Junker erläuterte die manichäistische Zivilreligion der USA, in der die Lichtgestalt von Freiheit, Recht und Handel gegen das Böse und Dunkle kämpft, und schließlich definierte der Politologe Frank Pfetsch endlich, Terrorismus sei die "ideologische Selbstermächtigung zur Gewalt für einen höheren Zweck" -- das wiederlegt auch gleich die Aussage der immer noch stattfindenden Montags-Mahnwachen, Krieg sei immer Terror, denn immerhin ließ sich Schröder ermächtigen.

Eine Veranstaltung, die von gepflegtem Diskurs eines leider übergroßen Podiums geprägt war: Antworten sollte es nicht geben, und eigentlich gab es sie auch nicht.

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Wie weiter, Herr Juniorprofessor? (18.11.2001)

Gut 50 Personen waren gekommen, um sich im Mannheimer Schloss über die Juniorprofessur zu informieren. Ihre Geduld wurde etwas auf die Probe gespannt, denn der erste Redner, Gerd Köhler, Mitglied im geschäftsführenden Bundesvorstand der GEW, holte weit aus. Er legte in 11 Thesen dar, wie die GEW die jetzige Situation an den Hochschulen beurteilt, welche Handlungsfelder sie sieht und welchen Platz die Juniorprofessuren in den Strukturen einnehmen (können). Leider kam er eigentlich nicht auf den Punkt, die Juniorprofessuren. Das Publikum erfuhr aber dann doch, dass die Juniorprofessuren erst durch die HRG-Änderungen vom Freitag vergangener Woche - sofern sie vom Bundesrat bestätigt werden - eingeführt werden und dass ihre konkrete Ausgestaltung davon abhängt, wie die Länder die Rahmenbestimmungen umsetzen. Insgesamt begrüßt die GEW die Juniorprofessuren bei aller Skepsis als einen ersten Schritt zur Abschaffung der Habilitation, bemängelt aber ein fehlendes Gesamtkonzept für alle Beschäftigten an den Hochschulen

Mehr zur Einschätzung der Juniorprofessuren erfuhr man aus den Beiträgen des übrigen Podiums. Der Mittelbauvertreter im Senat der Uni Mannheim berichtete ausführlicher über Mannheimer Interna der Habilitationsverfahren, nach deren Schilderung man sofort bereit gewesen wäre, einer Abschaffung der Habilitation zuzustimmen. Insgesamt sah er in der Juniorprofessur eine Chance, die Abhängigkeiten der Habilitierenden lockern. Das Bild, das die Presse gerne als Begründung für die Juniorprofessuren anführt, wonach "der Prof" seine Assis nur schamlos ausnutzt und man ihnen deshalb durch die Juniorprofessur einen Freiraum verschaffen muss, wurde aber von vielen Anwesenden in Frage gestellt. Allerdings scheint es nicht völlig aus der Luft gegriffen zu sein, da viele dann doch aus ihrem Bekanntenkreis einschlägige Erfahrungen referieren konnten.

Sebastian Nürnberg, studentisches Mitglied im Hochschulrat der Uni Mannheim, befürchtete, dass die JuniorprofessorInnen ihre Lehraufgaben "nach Unten" weiter geben würden, eine Entwicklung, die bereits heute die Lehre belastet. Insgesamt leidet darunter wieder einmal die Lehre, denn die Forschung würde vielleicht gerade noch laufen. Auch Christoph Klein-Brabender, langjähriger Mittelbauaktiver in Baden-Württemberg und derzeitiger Leiter des Bereichs Hochule und Forschung in der GEW Baden-Württemberg sah die Juniorprofessuren - wiewohl er generell einen Ausstieg aus der Habilitation begrüßte - sehr kritisch. Das Lehrdeputat der Juniorprofessuren wird sich anfangs nur auf eine oder zwei Veranstaltungen belaufen, aber dann zunehmen. Allerdings stellt eine Vorlesung für jemand, der/die bisher noch keine gehalten hat, eine enorme Belastung dar, es kann leicht sein, dass man mit der Vorbereitung einer zweistündigen Vorlesung völlig ausgelastet ist. Wenn dann noch Drittmittel eingeworben werden, DoktorandInnen und Studierende betreut und in den Gremien mitgewirkt wird, bleibt keine Zeit mehr für Forschung. Diese aber ist notwendig, strebt man eine Professur auf Dauer an... Auch er sah hier die Gefahr einer Verlagerung von Lehr- und Betreuungsaufgaben auf den verbleibenden Mittelbau und Hiwis. Wie Gerd Köhler vermisste er ein umfassenderes Konzept, dass den angehenden Professoren die Sicherheit eines Tenure Track eröffnen könnte. Nun kann es passieren, dass man nach 6 Jahren wieder neu anfangen muss.

Generell müsste man endlich der Tatsache Rechnung tragen, dass an den Hochschulen Menschen Daueraufgaben wahrnehmen, ohne Prof werden zu wollen. Zur Einführung der Juniorprofessuren sollen (Ober-)Assistenten, Rats- und andere Stellen wegfallen, die bisher oft in der Lehre Daueraufgaben wahrnehmen. Wenn all diese Funktionen von Hiwis wahrgenommen werden, verschlechtert sich die Situation in vielen Fachbereichen.

Konsens am Podium war jedenfalls, dass Bestimmungen, wie denn die Evaluation der Juniorprofessuren nach 6 Jahren von Statten gehen solle, in der jetzt verabschiedeten Novelle fehlen und die ganze Sache überhaupt überstürzt angegangen worden sei. Ausführlich wurde am Ende mit dem Publikum erörtert, ob nun die Habilitation verboten sei, was aber von Verschiedenen als verfassungswidrig und somit nichtig angesehen wurde, oder ob es nicht vielmehr dazu kommen werde, dass in einigen Fächern weiter habilitiert werde und in anderen Fächern das Weiterkommen via Juniorprofessur zur Regel werde. Zu einem Ergebnis kam man jedoch mangels genauer Gesetzeskenntnis und hellseherischer Fähigkeiten nicht.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 11.01.2002

Die Antwort auf alle HoPo-Fragen (20.11.2001)

Hochschulreform, Bachelor, Studiengebühren, Fakultätsrat, Rektor, Zusammenlegung, Banane, Dekan, Studienkommission, Senatsausschuss, Sardine, Evaluation, Berufung, Akklamation, N.C. -- viele Wörter, die nicht selten im UNiMUT stehen. Doch was bedeuten sie? Der UNiMUT empfiehlt natürlich seine Abkürzungsdatenbank oder die Schwerpunkte -- eine solide Einführung können sie aber natürlich nicht ersetzen.

Deshalb veranstaltet die FSK am nächsten Samstag, den 24.11.2001 im ZFB (Lauerstr. 1) einen hochschulpolitischen Workshop für alle Interessierten, egal, ob schon in einer Fachschaft aktiv, bereits habilitiert oder noch ohne Abi. Es ist in begründeten Fällen zulässig, nur einzelne Module zu belegen (das ist HoPo-Jargon für: Ihr dürft wieder gehen, wenn es euch nicht gefällt).

Der Zeitplan für den Samstag sieht folgendermaßen aus:

9.00-10.00Frühstück für alle, die Lust und Hunger haben
10.00-11.00Hochschulpolitik für Anfänger oder: Was ist FSK? Was sind Gremien? Gab es eine Hochschulreform oder wird es eine geben?
11.00-13.00Bachelor/Master-Studiengänge: Vortrag von Prof. Hellwig (Computerlinguistik) mit anschließender Diskussion
13.00-14.00Mittagessen
14.00-16.30Arbeitskreise über Verkehr im Neuenheimer Feld, Studiengebühren, Fakultätenkoordination, Kulturwissenschaften
16.30-17.00Abschlusskundgebung
17.00-xfalls Interesse: Zusammenfassen der Ergebnisse in einem Sonder-Unimut und Bier trinken

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Wusstet Ihr schon... (22.11.2001)

...dass es Hoffnung gibt, Trotha-Nachfolger Frankenberg loszuwerden? Tatsächlich besteht nach einer kleinen Anfrage von Heike Dederer, Landtagsabgeordnete der Grünen, die monierte, Frankenberg sei Aufsichtsrat bei der unter etwas dubiosen Umständen in Konkurs gegangenen Firma "Wild Projects" gewesen, eine hauchdünne Chance, ein vom Insolvenzverwalter angestrengtes Verfahren gegen den ehemaligen Aufsichtsrat könne als für einen Minister nicht tragbar empfunden werden. Andererseits haben Wissenschafts- und andere Minister hier im Ländle schon ganz andere Nummern ausgesessen.

...dass ihr schon jetzt haufenweise Studiengebühren zahlen könnt, hier an der Uni Heidelberg und auch, wenn ihr noch nicht im Trotha-Tausi-Bereich seid? Die Möglichkeit dazu gibt euch das ZSW mit Veranstaltungen über "Public Relations und Öffentlichkeitsarbeit", "Teamarbeit", "Recht im Beruf", "Zeitmanagement" und ähnliches zu Schleuderpreisen von gerade mal 210 bis 330 Mark, "Tagungsunterlagen" und Kaffepausen inklusive. Wenn ihr noch Fragen habt: 543807 (das Kursbüro) und 542307 (die Anmeldung).

...dass Studierende aus Jura, Politologie, Soziologie und VWL in den letzten Wochen Post vom CHE bekommen haben? Ja, die Oberranker aus Gütersloh holen zum nächsten Schlag aus und haben sich von der ZUV etliche Studis ziehen lassen. Diese Studis sollen nun zu 36 Oberpunkten fast 100 Kreuzchen machen, und zwar nach dem Prinzip "Kreuzen Sie an, wenn Sie einen Aspekt nicht beurteilen können." (sic! Das steht wirklich so drin!). Weitere überzeugende Daten dieser Art werden dann in ein neues Stern-Ranking einfließen, wenn sich nicht vorher die Nordsee erbarmt und Gütersloh überflutet. Unser Tipp: Alle Felder ankreuzen, die ihr findet, und den Mist dann unfrei zurückschicken. Euer Bogen wird garantiert trotzdem gewertet.

...dass ihr eure Artikel gefälligst weder über- noch gar nicht frankieren, einen uns bekannten Absender auf die Umschläge schreiben und keine gebräuchlichen Wörter falsch schreiben sollt? Wenn ihr euch nicht danach richtet, werden wir eure Post nicht öffnen oder schütteln und auch den Inhalt nicht ausleeren und sie so in eine Plastiktüte "legen", dass "der Inhalt nicht austreten kann". Danach werden wir "und evtl. weitere Personen" den Raum verlassen und die Türen schließen, bevor wir uns die Hände "gründlich mit Wasser und Seife" waschen. So will es nämlich ein "Gemeinsames Merkblatt des Innenministeriums und des Sozialministeriums Baden-Württemberg zum Verhalten bei Verdachtsfällen mit Milzbrand und anderen biologischen Gefahrstoffen". Na dann.

...dass Bomben wichtiger sind als Bildung? Sicherlich, aber eine gute Illustration war das Votum des SPD-Parteitags am 21.11.2001. Mit ziemlich großer Mehrheit schmetterten die Genossen den Wunsch von Bulmahn und Schröder, Studiengebühren endlich als sozialverträglich hinzudefinieren, wenn nur das "Erststudium" gebührenfrei bleibe, ab. Mit anderen Worten: Sämtliche SPD-MinisterInnen von Oppermann bis Zöllner, von Behler bis Bulmahn verstoßen mit ihren Gebührenspielchen gegen die Parteilinie. Mensch stelle sich nur vor, wie demontiert Schröder erschienen wäre, hätte sich der Parteitag gegen entsprechend des noch geltenden Grundsatzprogramms gegen deutsche Jungs mit großen Knarren in aller Welt gewandt. Aber weils nur um Studiengebühren geht, zieht die Karawane weiter.

Walter I. Schönlein

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Auch Rasterfahndung schafft Märkte (26.11.2001)

Die offizelle Diskussion zu den Auswirkungen des 11.9 ließ nicht wenige Fragen offen, alle voran die nach den Details der Rasterfahnung zumal im Hinblick auf die Verstrickung der Uni in diese Sorte Ermittlungen.

Wenn schon das Rektorat dichthält, kommt eine Anfrage der Landtagsfraktion von B90/DIE GRÜNEN -- oder eher ihre Beantwortung durch das Innenministerium (Landtag von Baden-Württemberg DS 13/279)-- gerade recht.

Leider verhindern "ermittlungstaktische Gründen" auch hier, dass einmal klar wird, welche Kriterien denn das Raster ausmachen, wonach also genau gesucht wird. Dennoch ist die eine oder andere wertvolle Information durch textkritische Lektüre aus dem Schriftstück durchaus zu bekommen.

Frage 10 betraf beispielsweise die Kosten für die Rasterfahnung. Aus der Antwort erhellt, dass einige "Adressaten" -- gemeint sind die Stellen, deren Daten auswertet werden sollen -- bereits angekündigt haben, die dadurch verursachten Kosten in Rechnung zu stellen -- vielleicht ein Hinweis ans Rektorat, hier wenigstens einen kleinen Teil der durch den "Solidarpakt" gekürzten Mittel vom Innenminister zurückzuholen? Jedenfalls gibt auch Rasterfahndung Impulse zur Schaffung von Märkten und Arbeitsplätzen (insbesondere von 15 MitarbeiterInnen im LKA). Wer könnte sich da nicht freuen?

Wer bisher noch nicht wusste, was Aussonderungsprüffristen sind, erfährt dies unter Frage 11. Diese Fristen bestimmen, wann Daten wieder gelöscht werden müssen. Für die Staatsgewalten sind sie vorteilhaft, weil sie, die Fristen, prima Ausreden hergeben: Die Daten sind weg und drum wissen wir nicht, aus welchem Anlass und mit welchem Erfolg bisher rastergefahndet wurde. Immerhin sollen die doch noch vorhandenen Unterlagen und vielleicht die Erinnerung beteiligter Beamter so Gott will doch zur Rekonstruktion vergangener Triumphe oder Niederlagen führen. Doch soweit ist es noch nicht.

Selbst wenn bei dieser, wie sagt mensch im Ganovenjargon, Evaluation, herauskäme, dass Rasterfahndungen zwar keine TerroristInnen, aber dafür jede Menge KommunistInnen gefangen haben, die eigentlich ja auch böse sind, wäre nichts über die heutige Lage ausgesagt. Die Gesuchten sind nach offiziellen Erkenntnissen heute viel mobiler als anno dazumal die Damen und Herren der RAF -- das wenigstens impliziert Antwort 8 --, was die Lage natürlich massiv verändert. Glücklicherweise ist eine bundesweit abgestimmte Vorgehensweise schon in Arbeit. Michel, sorge dich nicht, nicht um deine Daten und schon gar nicht um deine Sicherheit.

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Prof=(2*Doktor-n)/3 (28.11.2001)

In unseren Spekulationen über das neue Budgetierungsmodell der Uni Heidelberg hatten wir uns an einer Prognose versucht, wie nach den Vorstellungen des Rekorats das Geld der Uni in Zukunft wohl verteilt werden soll. Im Wesentlichen, das sei schon verraten, hatten wir recht -- obwohl die "Öffnung interner Märkte" vorläufig noch nicht probiert wird, entwerfen die am Montag letzter Woche vorgestellten Pläne ein Horrorszenario der budgetgesteuerten Turbouni, dass wir nur noch die Ohren anlegen können.

Konkret sollen immerhin rund die Hälfte der bisherigen Institutsetats weiter garantiert sein, etwa ein Viertel soll "formelgesteuert" vergeben werden, das letzte Viertel schließlich "verhandlungsgesteuert". Pikant übrigens, dass die Vergütungen der Profs aus dem ganzen Spiel draußen bleiben, die von Angestellten oder anderen BeamtInnen hingegen nicht.

Fangen wir aber mit der Formelsteuerung an. In die besagte Formel kommen gewichtete Studierende, gewichtete Prüfungen, ungewichtete Drittmittel sowie Promotionen und Habilitationen, die, ganz klar, auch nicht gewichtet werden. In einem Rechenbeispiel bringt ein gewichteter Studi 400 Mark, eine gewichtete Prüfung 3500 Mark, 200000 Mark an eingeworbenen Drittmitteln 34000 Mark, eine Promotion 8000 Mark, eine Habilitation nochmal das Doppelte. Mensch ahnt schon, dass die Drittmitteleinwerbung eine kleinere Rolle spielt als von uns vorhergesagt.

Dafür sind die Gewichtungsformeln schon wieder aufschlussreich. Studis über dem zehnten Semester haben beispielsweise grundsätzlich das Gewicht Null. Ob sich ein Institut eine Handvoll von denen leisten kann, ist eine offene Frage. Liebe Profs, prügelt eure Langzeitstudis raus, weil Geld kriegt ihr eh keins für die. Ansonsten gibt es allerlei lustige Faktoren, die dazu führen, dass ein Mensch, der Physik auf Diplom studiert, 2.5 zählt, ein Nebenfachjurist hingegen nur 0.25. Unterschieden wird dabei -- interessanterweise -- nach Buch- und Naturwissenschaften. Neckisch zudem noch die Verrechnung des Auslastungsgrades, die über ein unten definiertes f stattfinden soll.

Ebenso hektisch klingt die Gewichterei bei den Prüfungen. Innerhalb der Regelstudienzeit abgelegt, zählen diese voll (einfach für Diplom, halb für Magister-Hauptfach, viertel für Magister-Nebenfach), danach gehts mit 20% pro Semester abwärts, bis nach vier Semestern der Sockel von 20% erreicht ist. Liebe Profs, prügelt eure Studis durch die Prüfung, denn ihr Wert fällt schneller als der des rumänischen Leu.

Reizend auch, was in der Formel nicht drinsteht: "Explizit verzichtet," so schreibt der theoretische Physiker Horner, Autor dieses Budgetierungsmodells, "wurde im formelgesteuerten Anteil auf die Berücksichtigung der Frauenförderung sowie den Ausbau des Ausländeranteils. Beide -- umstrittenen -- Ziele lassen sich nach Ansicht der Hochschulleitung besser durch andere, direktere Maßnahmen erreichen." Da fragt mensch sich doch:

  1. Inwiefern sind diese Ziele umstritten?
  2. Was unterscheidet diese Ziele von all den anderen, für die der Markt doch offenbar viel besser als die "direkteren Maßnahmen" funktionieren soll?
  3. Wie viele Semester werden wir die Regelstudienzeit überschreiten, bis wir diese "direkteren Maßnahmen" sehen werden?
  4. Ist die Hochschulleitung eine Zusammenkunft von Sexisten und Chauvinisten?

Zum verhandlungsorientieren Budgetanteil bleibt eigentlich nur zu sagen, was wir schon im oben zitierten Artikel vermutet haben: Es wird ein buntes Markttreiben geben, während hinter den Kulissen blutige Intrigen im Stil des Hofs Louis´ XIV ausgefochten werden -- der Rektor als Sonnenkönig. Zu den Kriterien, die da verhandelbar sein sollen, gehören "besondere Qualitäten in Forschung und Lehre" (aber wir dachten, das werde schon im Formelteil zweifelfrei und marktorientiert bestimmt?), "besondere Leistungen" (Horner hat offenbar noch nicht gelernt, dass in solchen Fällen der Präfix "spitz" oder die schlichte "Exzellenz" von Rektor Hommelhoff angebracht ist), "besondere infrastrukturelle Einrichtungen" (Bibliothek? Aufenthaltsraum für Studierende?) oder "Investition in zukünftige Leistungsbereiche" (aber über die sollte doch der Markt entscheiden?). Wer weiß, wie bereits heute atemberaubende Kämpfe um Plätze an der Sonne in allerlei Gremien, Quasigremien, Nicht-Gremien und Untergrundorganisationen der Uni stattfinden, fragt sich, wie überhaupt noch jemand Zeit haben soll, all die tollen Leistungen zu erbringen. Oder auch nur zu überleben, um damit anfangen zu können.

Nicht, dass wir der Kameralistik mit ihren bis auf den letzten Bleistift durchgeplanten Etats nachweinen. Die Finanzierung, gerade auch von MitarbeiterInnen und Hilfskräften, zu einem solchen Roulettespiel zu machen, der Versuch, hier eine politische Agenda über den Geldhahn durchzudrücken, das kann die Antwort auch nicht sein. Und, Herr Horner, Formeln wie

sind noch nicht mal eines/r ExperimentalphysikerIn würdig. Sie hätten wenigstens eine kleine Differentialgleichung unterbringen sollen in dem Plan.

Nachtrag (28.11.2001): Wie wir erfahren, wird die Kapazität eines Studiengangs laut KapVO in einer Weise berechnet, die etwas mit folgenden Formeln zu tun hat:

Der Redaktion gefallen diese Formeln besser. Zugeben müssen wir allerdings, dass die neue Formel von Horner dem Niveau der künftigen Bachelors angemessener scheint.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 13.04.2002, 29.01.2003, 02.04.2003, 16.04.2003, 11.06.2004, 13.10.2004, 23.11.2005


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Erzeugt am 28.11.2001

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