Wer am Dienstagmorgen mitblockieren will, erfährt in diesem Infobus der letzten Stand der Dinge |
Schon wieder ist Castor-Alarm in der Umgebung von Heidelberg: Dieses Mal wird aus Neckarwestheim Atommüll nach Sellafield gefahren, der englischen Wiederaufbereitungsanlage, deren zahlreiche Störfälle -- insbesondere ein verheerendes Plutoniumfeuer 1957 -- die Behörden gezwungen haben, ihren alten Namen Windscale zum unerwünschten Wort zu erklären. Ob Windscale oder Sellafield, dass Praktiken wie die Entsorgung unbekannter, aber jedenfalls sehr erheblicher Mengen radioaktiven Mülls in tiefe Erdlöcher der Vergangenheit angehören, darf kaum angenommen werden. Unter diesen Umständen überraschen weder (um einen Faktor 4) erhöhte Leukämieraten noch phantastische Missbildungen von Rindern in der Umgebung der Anlage.
All das hält weder das Gemeinschaftskraftwerk Neckar -- so die offizielle Bezeichnung des Betreibers des AKW -- noch Schröder oder Trittin davon ab, mehr Nuklardreck dorthin schaffen zu lassen. Am Dienstag in aller Frühe sollen drei Castorbehälter und 2000 PolizistInnen das Kraftwerk verlassen und zunächst auf der Straße ins nahe gelegene Walheim gefahren werden. Zumindest die Behälter werden wohl am Mittwoch auf der Schiene nach Wörth bei Karlsruhe rollen und dort wiederum mit zwei Castoren aus dem Nord-Heidelberger Haus-AKW Biblis gekoppelt werden.
Da die Abklingbecken von Biblis zum Bersten voll sind und sich deshalb dort ohnehin noch reichlich Gelegenheiten zum Querstellen bieten werden, konzentriert sich der Widerstand dieses Mal auf Neckarwestheim. Der Anfang wurde heute mit einer Demonstration von etwa 500 Menschen gemacht. Beäugt wurden sie nicht nur von der versammelten Presse, sondern auch von etlichen Hundertschaften Polizei, die sich die üblichen Spielchen nicht verkneifen konnte -- wieder musste erst lange verhandelt werden, ehe der Demozug zur Abschlusskundgebung vor dem Tor 2 (durch das die Behälter das AKW verlassen werden) laufen durfte. Aber im Großen und Ganzen blieb alles freundlich und friedlich.
Ernst wird es wie gesagt auch erst am Dienstag, wohl gegen fünf Uhr morgens. Dann werden die Castoren rollen, bergauf und bergab. Besonders letzteres bereitet der Polizei Sorgen, denn die fünfzig Tonnen schweren Kolosse sind abwärts kaum zu bremsen und aufwärts nur sehr schwer anzufahren, so sie denn angehalten werden sollten. Der Fantasie beim Querstellen sind also keine Grenzen gesetzt. Menschen, die sich gegen den Export der strahlenden Fracht in die irische See wenden wollen, sind eingeladen, möglichst schon am Montag abend ins Camp bei Gemmrigheim zu kommen. Der beste Weg dorthin ist, zunächst am Bahnhof in Kirchheim/Neckar den oben abgebildeten Infobus zu suchen und sich von den netten Leuten dort drin erklären zu lassen, wie das Camp zu finden ist.
Übrigens: Am nächsten Samstag (das ist der 28.4.) startet um 11 Uhr am Bahnhof in Biblis eine Demo zum Gedenken an den 15. Jahrestag des Unfalls in Tschernobyl. Biblis ist dafür ein guter Ort, nicht nur, weil dort vor gar nicht so langer Zeit der Reaktor wirklich nur sehr knapp an der Kernschmelze vorbeischrammte.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 10.06.2001