Der folgende Artikel wird demnächst im MathPhys-Info erscheinen. Angesichts der Omnipräsenz dieses Themas bringen wir ihn auch hier, selbst wenn er für Verhältnisse des UNiMUT aktuell etwas lang geraten ist -- Red.
"Die in der hochschulpolitischen Öffentlichkeit geführte Diskussion um die Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen hat auch an der Universität Heidelberg zur Einrichtung neuer Studiengänge mit diesen international anerkannten Abschlüssen geführt." -- so umschreibt Herr Siebke, noch Rektor unserer Universität, in seinem jüngsten Rechenschaftsbericht die Tatsache, dass das baden-württembergische Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) nur noch solche Studiengänge genehmigt. Ein Charakteristikum dieser sogenannten "gestuften" Studiengänge ist, dass bereits der Bachelor ein berufsqualifizierender Abschluss sein soll. Nur "Studierende mit überdurchschnittlichem Abschluss" sollen Zugang zum vertiefenden Master-Studiengang haben, der dann etwa dem bisherigen Diplom- bzw. Magister-Abschluss entsprechen soll. So wünscht es sich jedenfalls das MWK in seinem Eckwertepapier zu Bachelor/Master-Studiengängen in Baden-Württemberg.
Damit Studierende bereits nach sechs Semestern ins Berufsleben entlassen werden können, muss ein Studiengang wesentlich stringenter organisiert sein als die bisher üblichen Magister- und Diplomstudiengänge. In Bachelor-Studiengängen wird stets studienbegleitend geprüft, d.h. für jegliche belegte Veranstaltung ist ein Leistungsnachweis erforderlich, für den dann Leistungspunkte vergeben werden. Die Zwischenprüfung im Bachelor-Studiengang besteht lediglich im Nachweis von genügend Leistungspunkten (LP), der Bachelor-Abschluss aus dem Nachweis von genügend LP, einer dreimonatigen Bachelor-Arbeit und evtl. (!) einer Abschlusspruefung. Für den Master-Studiengang gilt Ähnliches, nur muss statt der Bachelor-Arbeit eine sechsmonatige Master-Arbeit geschrieben werden. Außerdem bietet ein solcher Studiengang wesentlich weniger Wahlmöglichkeiten und ist wesentlich verschulter. Es wird viel schwieriger, über den Tellerrand zu blicken, in fachfremde Vorlesungen hereinzuschnuppern, sich neben dem Studium zu engagieren oder auch nur sein Studium durch Jobben zu finanzieren.
Vom Ideal, dass Hochschule eine umfassende Bildung vermitteln soll, die sich ein Student oder eine Studentin in Zusammenarbeit mit den Hochschullehrern erarbeitet, bedeutet dies eine deutliche Abkehr. Ziel des Studiums ist, für die Wirtschaft "verwertbare" Studis zu produzieren, die möglichst jung zur Verfügung stehen. Unter dem Gesichtspunkt, dass die ursprüngliche Initiative zur Einrichtung von Bachelor/Master-Studiengängen vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) ausging, einer Tochter des Bertelsmannkonzerns, ist diese Zielsetzung auch erklärlich. Doch nicht nur daran, ob wirtschaftliche Verwertbarkeit das Hauptziel der Bildungspolitik sein sollte, sind Zweifel angebracht, sondern selbst daran, ob dieses Ziel auf dem eingeschlagenen Wege erreicht wird. Als Vorbild werden stets die Vereinigten Staaten angeführt, in denen sich 80 % der Hochschulabsolventen mit einem Bachelor-Abschluss begnügen. Dagegen werden beispielsweise in Dänemark und Schweden, die vor einigen Jahren ebenfalls gestufte Studiengänge eingeführt haben, die Bachelor-Abschlüsse recht wenig von der Wirtschaft anerkannt. Die meisten Studis machen auch noch einen Masterabschluss.
In Heidelberg sind wir aber eigentlich noch halbwegs gut bedient. Es wurden bisher nur etwa vier Bachelor/Master-Studiengänge eingeführt. In anderen Universitäten in Deutschland wurde bereits der ganze geisteswissenschaftliche Bereich auf die gestuften Abschlüsse umgestellt und die bisherigen Studiengänge "nullgesetzt", d.h. die Einschreibung in jenen verboten. Doch -- wie gesagt -- wer immer irgend etwas Neues einführen möchte, hat in Baden-Württemberg nicht mehr die Wahl, welche Abschlussart gewünscht ist.
An unserer Universität gibt es bisher noch überhaupt keinen eigenständigen Informatikstudiengang. Da jedoch die Nachfrage nach einem solchen Studiengang nach wie vor sehr groß ist, die Fakultät für Mathematik und Informatik andererseits mit auf niedrigem Niveau stagnierenden Studierendenzahlen kämpft, soll nun ein solcher Studiengang eingerichtet werden. Nach dem Gesagten ist klar, dass der neue Studiengang "Anwedungsorientierte Informatik" auf das Abschlussziel Bachelor/Master ausgerichtet sein wird. Der Studiengang soll nach Möglichkeit schon zum kommenden Wintersemester angeboten werden. Studienbeginn ist nur jeweils zum Wintersemester möglich, für - so die Erwartung - 50 bis 60 Studierende pro Jahrgang. (Eine Zulassungsordnung liegt bisher noch nicht vor.)
Schon länger arbeitet eine Kommission des Fakultätsrates an einer (noch vorläufigen) Prüfungsordnung. Der Bachelor-Studiengang ist auf - wie üblich - sechs Semester ausgelegt, der Master auf noch vier weitere (jeweils inklusive der Abschlussarbeiten). In den ersten drei Semestern sieht der Studienplan recht genau vor, welche Vorlesungen, Praktika und Seminare die angehenden Informatikerinnen und Informatiker zu belegen haben. Darin enthalten sind z.B. die Grundvorlesungen Lineare Algebra I und Analysis I und II sowie die Vorlesung "Programmieren und Software-Technik" - die bisherige Informatik I mit einer Einführung in die Programmierung inklusive praktischer Übungen. Nach zwei Semestern ist die Orientierungsprüfung fällig (von der bleibt kein Studiengang verschont, auch nicht die, in denen sowieso studienbegleitend geprüft wird), die in 36 LP besteht, nach vier Semestern die Zwischenprüfung - 120 LP (hoffentlich wird sich das noch ändern!). In den letzten drei Semestern bietet der Studiengang weitgehende Wahlfreiheit - jedenfalls für einen Bachelor-Studiengang. Mit der Liberalität unseres Diplom-Mathematik-Studienganges ist das in gar keiner Weise zu vergleichen. Vorgeschrieben sind bestimmte Mindestpunktzahlen aus den Berreichen Kern-Informatik, Angewandte Informatik und Mathematik sowie einem Nebenfach, ausserdem ein Software-Praktikum für Fortgeschrittene und ein zweimonatiges Betriebspraktikum. Zum Erwerb des Bachelor sind dann noch die Bachelor-Arbeit sowie eine mündliche Prüfung erforderlich.
Der Master-Studiengang besteht in drei weiteren Semestern vertiefendem Studium, in denen wiederum Mindestpunktzahlen aus den genannten Bereichen erzielt werden müssen, sowie einem Semester Masterarbeit und einer weiteren mündlichen Abschlussprüfung.
So hat schließlich die Diskussion über Bachelor- und Master-Studiengänge auch an unserer Fakultät zur Einführung eines solchen Studienganges geführt...
Nachtrag: Und so preist die Pressestelle des Rektorats den Studiengang.