Grüne finden Frankenberg fantasielos -- und andere Entwicklungen an der Gebührenfront
Während sich die Grünen in Heidelberg noch ärgern, dass die VeranstalterInnen der Antikriegsdemo am letzten Wochenende den Kosovokrieger und Ex-Grünen-Chef Fritz Kuhn nicht auf ihrer Demo hatten reden lassen wollen, kommen die Landtagsgrünen nun mit einer Presseerklärung zu Frankenbergs neuen Gebührenplänen, die zumindest stark suggeriert, dass mensch Grüne auf hoffentlich kommenden Antigebührendemos auch nicht reden lassen sollte. In ihr wird die hochschulpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, die Heidelberger Abgeordnete Theresia Bauer, mit der Aussage zitiert, "die Diskussion über intelligente, moderne und sozial verträgliche Modelle zur Hochschulfinanzierung" stehe auf der Tagesordnung, Frankenbergs 75 Euro jedoch seien "das einfallsloseste Modell" und "kein Beitrag zu einer modernen Hochschulfinanzierung".
Es ist immerhin nett, dass sie nicht so tut, als seien die Grünen noch irgendwie gegen Studiengebühren, was spätestens seit Berninger und den ach so intelligenten, modernen und sozialverträglichen, vor allem aber fantasievollen und rot-grünen Gebührenplänen in NRW oder Niedersachsen (die beide anfangs ziemlich genaue Kopien von Trothas Gebühren waren und es in Niedersachsen auch noch sind) mindestens so dreist wie Kuhns Redegesuch gewesen wäre. Mal davon ganz zu schweigen, dass die Andeutung, es könne so richtig tolle Gebühren geben, allein schon zur Diagnose galopierender Menschenfeindlichkeit reicht.
Derweil lief an der TU-München, die sich ja schon öfter mit allerlei Schweinereien profiliert und auch im Gebührenbereich "Maßstäbe" gesetzt hat, ein Studiengebühren-Kongress, mitveranstaltet von der Stahlhelmfraktion der Gebührenfront, dem CHE. Dazu hatte man sogar das ABS eingeladen, das auch kam, gleichwohl es in einer Presseerklärung ausführte, der Kongress sei "keine Diskussions- sondern eine Propagandaveranstaltung, auf der das ABS lediglich den Pluralitätskasper spielen darf." Wir hoffen inständig, dass die Rede, die Klemens Himpele dann hielt, vielleicht doch das eine oder andere Hirn im Auditorium erreicht hat.
Und schließlich schlagen wir die UNiMUT-Gebührenalternative vor: Wir bauen einfach die Fünfte Neckarquerung nicht. Damit ist weniger Blech, Lärm und Gestank im Neuenheimer und Handschuhsheimer Feld, und bei Kosten zwischen 100 und 300 Millionen Euro hat mensch die Einnahmen aus drei bis zehn Jahren Frankenberg-Zuschlag gleich drinnen, ohne an die Groschen der Studis zu müssen. Das einzige Problem ist, dass das Rektorat sich von einem seiner Lieblingsprojekte verabschieden muss und einiges an schamloser Lobbyarbeit in Stuttgart vergebens war. Aber es hat ja noch andere Möglichkeiten, sich zu amusieren. Mehr zu diesem Thema ist übrigens bei einer Diskussionsveranstaltung am nächsten Freitag in Handschuhsheim zu erfahren.
Nachtrag (31.3.2003): Wem das Statement von Bauer noch nicht klar genug war: Beim gestrigen Landesparteitag der Grünen in Villingen-Schwenningen haben sich die Grünen klar für Studiengebühren ausgesprochen, und zwar -- wie schon bei Trotha -- in "Bildungsgutscheine" verpackt. Gänzlich widerlich ist der Vorschlag der Grünen, bei Tarifabschlüssen könnten doch statt Lohnerhöhungen einfach Bildungsgutscheine rausspringen -- zweifellos der finale Traum eines jeden Kapitalisten, der so nicht nur Lohnkosten spart, sondern die Investition in sein eigenes Humankapital gleich noch direkt von diesem bezahlen lässt. Mit anderen Worten: Keine Wählerstimme dieser Welt wird Gebühren verhindern können. Das können nur noch richtige Stimmen von richtigen Menschen.
Wer das alles nicht glaubt: Hier ein relevanter Ausschnitt aus dem Beschluss der 16. Landesdelegiertenkonferenz:
Wir wollen die Lehre an Hochschulen finanziell auf bessere Füße stellen und Studierenden mehr Einfluss auf die Qualität der Lehre geben. Deshalb fordern wir die Einführung von Bildungsgutscheinen für Studierende.
- Hochschulen erhalten einen Teil ihrer Mittel in Abhängigkeit von Studierenden nach dem Prinzip staatliches Geld folgt Studierenden . Wenn Studierende mit Bildungsgutscheinen an eine Hochschule kommen, dann fließen entsprechende Mittel dorthin. Damit wird der Einfluss der Studierenden gestärkt, und die Hochschulen werden für gute Angebote und Bemühen um die Studienqualität belohnt.
- Wir garantieren den gebührenfreien Zugang zum Erststudium, weil wir die Akademikerquote erhöhen und Zugangsgerechtigkeit sicherstellen wollen: Studierende bekommen für diese Phase ihre Bildungsgutscheine vom Staat. Bildungsgutscheine sind knapp bemessen. Damit werden Studierende zum verantwortlichen Umgang mit der Ressource Studienzeit angehalten. Nicht verbrauchte Bildungsgutscheine können für die Weiterbildung verwendet werden.
- Für weitere Phasen des Studiums und für wissenschaftliche Weiterbildung halten wir Bildungsgutscheine mit finanzieller Eigenbeteiligung für sinnvoll und vertretbar, wenn sie sozial verträglich gestaltet sind. Dies ist möglich durch nachlaufende Refinanzierung.
- Wir sorgen für Anreize zum lebenslangen Lernen. Wenn Hochschulen dadurch zusätzliche Mittel bekommen können, wird es für sie attraktiv, Weiterbildungsangebote zu schaffen. Bildungsgutscheine können privat, vom Arbeitgeber oder von Stiftungen finanziert werden. So können Gewerkschaften bei Tarifabschlüssen z.B. um Bildungsgutscheine verhandeln statt um Lohnerhöhungen.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 26.06.2003, 04.07.2003, 12.11.2003, 03.01.2004, 03.01.2004, 16.06.2004